Die vielen negativen Folgen des Konsums von Kokain für den eigenen Körper sind weitgehend bekannt. Viele wissen jedoch nicht, dass die Droge nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Kinder in den Anbauländern zerstören kann. Kolumbien ist für den Drogenanbau und -schmuggel bekannt. Viele Kinder arbeiten auf den Koka-Plantagen und im Bereich der Weiterverarbeitung der Koka-Blätter zur Droge. Da Kokain und die Herstellung davon auch in Kolumbien verboten sind, ist diese Arbeit illegal. Zu den schweren gesundheitlichen Belastungen, die diese harte Beschäftigung schon im Kindesalter bedeutet, kommt deshalb noch die andauernde Angst vor der Regierung hinzu: Die Arbeiter auf den Koka-Feldern und in der weiteren Herstellung des Kokains können für ihre Tätigkeit verhaftet und sogar ermordet werden. Trotz dieser großen Gefahr floriert der Anbau der Kokapflanzen in den entlegenen Regionen Kolumbiens, denn die Menschen haben keine andere Wahl: Die Städte, in denen die Bauern ihre legal angebauten Produkte verkaufen könnten, liegen viele Kilometer weit entfernt. Die Straßen sind so kaputt, dass die Fahrt in die nächstgelegene Stadt sehr lange dauern kann – bis die Bauern am Markt ankommen, wäre das angebaute Obst und Gemüse schon verkommen. Nur die Koka-Blätter sind es den Händlern wert, den beschwerlichen Weg in die entlegenen Dörfer auf sich zu nehmen und die Ware dort zu kaufen. Außerdem werden die Bauern für die Koka-Blätter auch besser bezahlt als für zum Beispiel Bananen – eine Bäuerin erzählt, dass der Erlös der legalen Erzeugnisse nicht einmal die Produktionskosten decke. 1) 2) 3)
Dabei ist die Arbeit auf den Koka-Feldern auch abgesehen von den Verhaftungen durch die Regierung gefährlich. Kolumbien ist nach Afghanistan das Land mit den meisten Landminen weltweit, auch auf den Plantagen ist man nicht vor den Explosionen sicher. Wenn man auf eine Mine tritt, kann man schwer verletzt werden. Da die Kokafelder meist sehr entlegen sind, ist auch eine ärztliche Versorgung hier nicht selbstverständlich. Abgesehen davon müssen die Arbeiter in der drückenden Hitze schuften. Mit ihren Händen pflücken sie die Kokablätter und verletzen dabei schnell ihre Arme und Hände. Dabei bekommen sie höchstens einen Lohn von acht US-Dollar am Tag. Ein kleiner Junge begann im Alter von sieben Jahren, die Kokablätter zu pflücken. Heute, drei Jahre später, hat er noch nie ein Schulgebäude von innen gesehen. Er weiß nicht, wo er ist und kann nicht einmal sagen, wie viel Geld er mit seiner täglichen Arbeit verdient, weil er die Zeichen auf seinem Scheck nicht interpretieren kann. Ein anderer Kinderarbeiter, der kleine Daniel Lito, wurde auf einer Kokafarm geboren. Seit er ein kleines Kind war, hilft er seinen Eltern täglich bei der Arbeit auf dem Feld. In der Nähe gibt es keine Schule – seine Mutter, die selbst weder lesen noch schreiben kann, versucht, ihm wenigstens ein wenig Grundwissen mit auf den Weg zu geben. Da die Kinder keine wirkliche Bildung erhalten, haben sie keine Chance, einen gut bezahlten Beruf zu erlernen und so aus der Armut herauszukommen. Wenn sie in einigen Jahren eine Familie gründen wollen, wird dadurch auch ihren eigenen Kindern nichts anderes übrig bleiben, als auf die Schule zu verzichten und zu arbeiten, um den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen. So geht es einem Mann, der mit 12 Jahren begann, auf den Kokafarmen zu schuften. Heute, mit 39, verrichtet er dieselbe anstrengende und wenig bezahlte Arbeit. 1) 3)
Auch in der Weiterverarbeitung der Kokablätter sind Kinder angestellt. Dabei werden die Blätter mit vielen Chemikalien behandelt – unter anderem mit Dünger, Benzin und Schwefelsäure. Die Kinder bekommen keine Schutzkleidung und sind so frei den giftigen Stoffen ausgesetzt. Mit bloßen Händen rühren sie die Masse um. Obwohl die meisten Menschen in der Kokainherstellung nicht einmal wissen, dass sie eine Droge herstellen und sie dementsprechend auch noch nie selbst konsumiert haben, opfern sie für die Droge ihre Gesundheit. 1)
Eine Studie des CATO Institute besagt, dass Kinder, die schon in jungen Jahren auf illegalen Kokaplantagen arbeiten, auch als Erwachsene wahrscheinlicher als Menschen ohne diese Vergangenheit in der Kokain-Industrie mitwirken. Durchschnittlich verdienen sie außerdem weniger und sind prädestiniert für Verbrechen, die mit Gewalt und Drogen in Verbindung stehen. Da die ehemaligen Kinderarbeiter im Schnitt durch ihre Vergangenheit zusätzlich weniger Vertrauen in Institutionen des Staats haben, wird es für sie schwierig, im Erwachsenenalter Fuß zu fassen. Die Studie besagt, dass es sich als hilfreich erwies, wenn NGOs oder der Staat den Eltern der gefährdeten Kinder bestimmte Summen an Geld zahlt, falls sie ihre Kinder statt zur Arbeit zur Schule schicken. So sind die Eltern nicht auf das Gehalt durch die Arbeit ihres Kindes angewiesen und die Kinder bekommen Zukunftschancen. Allerdings darf die Verantwortung nicht nur auf die Organisationen vor Ort abgeschoben werden. Wir Konsumenten müssen uns bewusst machen, dass unser Verbrauch die Kinder in diese schwierigen Situationen bringt. Denn Europa und Nordamerika sind die Regionen, in denen weltweit am meisten Kokain konsumiert wird. Ein Bauer sagt: „Wir arbeiten hier sehr hart. Aber die, die am Ende profitieren, sind die weiterentwickelten Länder. Dort wird im großen Stil mit Kokain gehandelt und während wir hier nur sehr wenig verdienen, machen andere große Umsätze.“ 1) 4) 5)
- Galileo: Kokain statt Schule. Kinderarbeit auf den Koka Plantagen Kolumbiens, erschienen am 22.11.2021↩↩↩↩
- Amnesty International: Colombia’s Coca Farmers Want Viable Alternatives, Not Militarization, erschienen am 10.03.2020↩
- Arte: Lieber Koka ernten als Bananen, erschienen am 18.05.2021↩↩
- CATO Institute: Making a Narco. Childhood Exposure to Illegal Labor Markets and Criminal Life Paths, erschienen am 24.01.2018↩
- United Nations: World Drug Report 2019, Stand September 2023↩