Kaffee ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken: Im Schnitt trinkt jeder Deutsche vier Tassen des Heißgetränks pro Tag. Aber zu dem Problem der Wegwerfbecher, das der Konsum des Kaffees „to go“ mit sich bringt, kommen noch andere ethische Schwierigkeiten: Die Kaffeebohnen kommen oftmals aus armen Ländern wie Guatemala und werden dort häufig von Kinderhand abgebaut. Obwohl Kaffee in Deutschland teils als ein Luxusgut zelebriert wird, verdienen die Menschen am Anfang der Lieferkette am Tag gerade mal so viel, wie ein großer Becher Kaffee kostet. Dabei kann man sich nicht mal bei Kaffeehäusern, die in ihren Richtlinien klar gegen Kinderarbeit stellen, sicher sein, dass für den Kaffee, den man gerade trinkt, kein Kind geschuftet hat. Das zeigte eine investigative Recherche des britischen Senders Dispatches aus dem Jahr 2020. Ein Team aus Journalisten deckte auf, dass ein bekannter amerikanischer Kaffeebetrieb, der auf der ganzen Welt tätig und vor allem bei jungen Menschen beliebt ist, seinen Kaffee aus von Kindern gepflückten Kaffeebohnen herstellt. Das Unternehmen hatte sich davor immer wieder zu einer Lieferkette ohne die Arbeit von Kindern bekannt. 1) 2)
Kinderarbeit im Bereich der Landwirtschaft gehört zu den schwersten Arten von Kinderarbeit überhaupt. Die Kinder schuften besonders im Sommer unter hohen Temperaturen in der Mittagshitze, was leicht zu Dehydrierung führen kann. Ein 14-jähriges Mädchen, das die Kaffeebohnen pflückt und sie dann in einen Korb legt, den sie mit einem Tuch an ihrer Taille festgebunden hat, erzählt, dass ihr Körper vom Tragen des Korbes sehr wehtut. Aber es bleibt nicht nur bei diesen körperlichen Anstrengungen: Nachdem die Kinder genug Bohnen gesammelt haben, müssen sie sie bis zur Sammelstation tragen. Die Säcke mit der Ernte sind teilweise 45 Kilo schwer. Kleine Kinder wuchten sich diese auf ihre Rücken und tragen sie Anhöhen hinauf, um die Säcke wiegen zu lassen. Dort werden die Arbeiter nach dem Gewicht der geernteten Kaffeebohnen bezahlt und nicht etwa nach Arbeitszeit. Die Kinder arbeiten meist von 6 Uhr morgens bis 15.30 Uhr nachmittags – mehr als neun Stunden. Dafür bekommen sie einen Lohn, der selbst in Guatemala lächerlich gering ist. 2)
Ein 15-jähriger Junge arbeitet nach eigenen Angaben gemeinsam mit einem Teil seiner Familie auf einer Kaffeeplantage, die oben genannten Kaffeebetrieb beliefert. Er begann im Alter von fünf Jahren damit, auf der Plantage zu arbeiten, um seine Verwandten zu versorgen. Er arbeitet sieben Tage die Woche und hat nur selten einen Tag frei. Sein Traum ist, später Arzt oder Mechaniker zu werden und sich dafür an der Universität ausbilden zu lassen. Dieser Wunsch wird vermutlich nie in Erfüllung gehen. Da er schon im Kindesalter keine grundlegende Bildung erfahren durfte, wird es schwer werden, aus dem Kreislauf der Armut auszubrechen. Unser Konsumverhalten trägt dazu bei, dass Kinder wie er ihre Träume nicht weiter verfolgen können. 2)
Ein Anwalt für Menschenrechte sieht im Verhalten des bekannten Kaffeeunternehmens, von Kindern geerntete Kaffeebohnen zu kaufen, eine Verletzung der Regulierung der Arbeit ILO. Der Kaffeebetrieb bestreitet jedoch, dass er seine Kaffeebohnen von den besagten Plantagen mit Kinderarbeit kauft. Allerdings ist eine Schuldzuweisung schwierig, denn die benannten Plantagen waren alle mit dem Fair-Trade Siegel gekennzeichnet, das Kinderarbeit ausschließt. Ein Plantagenbetreiber erklärt, dass schuftende Kinder auf den Plantagen nicht das Label „Kinderarbeit“ bekommen, solange ihre Eltern mit ihnen arbeiten. Denn in diesem Fall wäre es möglich, dass die Kinder ihre Eltern nur zur Arbeit begleiten. Trotz der mangelnden Zustände bei der Zertifizierung trägt der oben genannte Kaffeebetrieb Verantwortung für die missliche Lage der Kinder auf seinen Plantagen. Das Unternehmen kontrolliert die Anbaugebiete im Schnitt nur alle vier Jahre – und das auch noch mit vorheriger Ankündigung. Bei diesen Bedingungen ist davon auszugehen, dass sich nicht vollständig an die Vorgaben des Käufers gehalten wird. 3) 4) 2)
Um Kinderarbeit zu stoppen und strukturell überflüssig zu machen, sollte die Weiterverarbeitung der Kaffeebohnen in den Anbauländern stattfinden und nicht, wie aktuell, in den reichen Industrienationen. Deutschland liegt an der Spitze der Exporte von geröstetem Kaffee. Dabei werden die gerösteten Bohnen zu einem Preis verkauft, der mehr als doppelt so hoch ist wie der Kaufpreis des unbehandelten Kaffees. Die Wertschöpfung findet also in der Röstung statt. Wenn die Staaten, die die Kaffeepflanze anbauen, auch die Röstung übernehmen würden, ginge der Profit aus dem Verkauf des Kaffees an sie und nicht an die Industrienationen. Zusätzlich würden dadurch weitere Jobs geschaffen, was im Gegenzug die Armut im Land verringern würde. Dadurch wären auch weniger Kinder gezwungen, durch Arbeit zum Familienunterhalt beizutragen. 5)
- Tagesschau: Es wird wieder mehr Kaffee getrunken, erschienen am 11.04.2023↩
- Terramater World: Dispatches Starbucks and Nespresso The Truth about Your Coffee, erschienen am 03.03.2020↩↩↩↩
- The Guardian: Children as Young as Eight Picked Coffee Beans on Farms Supplying Starbucks, erschienen am 01.03.2020↩
- Infosperber: Nestlé und Starbucks profitieren in Guatemala von Kinderarbeit, erschienen am 06.04.2020↩
- Spiegel: Die bittere Wahrheit über unseren Kaffee, erschienen am 21.09.2017↩