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Kinder arbeiten für unser glitzerndes Make-up

In glitzernder Kosmetik ist das Mineral Mica enthalten. In Indien arbeiten 30 000 Kinder beim Abbau des Minerals. |  Bild: (Symbolbild) © Kropivnui | Dreamstime.com [Royalty Free]  - Dreamstime

In glitzernder Kosmetik ist das Mineral Mica enthalten. In Indien arbeiten 30 000 Kinder beim Abbau des Minerals. | Bild: (Symbolbild) © Kropivnui | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime

Lidschatten, Lippenstift und Co. glitzern nur aus einem Grund so hübsch – in ihnen ist das Mineral Mica enthalten. Der Rohstoff wird außerdem für glänzenden Autolack und als Leitstoff für Toaster oder Batterien von Elektroautos genutzt. Der Absatz von Mica boomt. Aber es gibt ein Problem: So herrlich die Produkte aus dem Glitzermineral auch anzusehen sind, so schmutzig ist doch die Art des Abbaus. 30 Prozent des weltweiten Absatzes von Mica kamen im Jahr 2020 aus Indien. Drei Viertel davon stammen aus illegalen Minen, in denen auch Kinder bis zu acht Stunden am Tag schuften müssen. Das Kinderhilfswerk Terre des Hommes schätzt, dass derzeit etwa 30 000 Jungen und Mädchen in den armen Regionen Bihar und Jharkhand arbeiten. 1) 2) 3)

In den Micaminen arbeiten oft ganze Familien. Eine Mutter, die gemeinsam mit ihren drei Kindern das Mineral schürft, beschreibt die Situation so: „Natürlich würden wir unsere Kinder gerne in die Schulen schicken, aber weil wir so arm sind, geht das leider nicht. Wenn die Kinder uns nicht helfen, haben wir nichts zu essen.“ Pro gesammeltes Kilogramm Mica verdienen die Arbeiter fünf bis acht Cent. Eine ganze Familie bekommt am Tag so einen Lohn von ein bis zwei Euro zusammen. Damit wird nicht einmal die Armutsgrenze erreicht, die bei 1,90 US-Dollar am Tag pro Kopf liegt. Manche der Arbeiter schlafen in selbstgebauten Blätterhütten nahe der Mine, nicht mal für eine Decke zum Schutz vor der kalten Nacht reicht das Geld. Die Micasammler verkaufen ihren Rohstoff an Zwischenhändler zu viel zu niedrigen Preisen – sie sind jedoch darauf angewiesen, um nicht zu verhungern. Die Zwischenhändler verhökern die Ware im Inland weiter und erhalten dabei etwa das Sechsfache vom Einkaufspreis. Die Exporteure verlangen für das Mica, das ihnen über lange Ketten an Zwischenhändlern zugetragen wurde, schlussendlich 50 Euro pro Kilogramm – das 1000fache von dem, was die Minenarbeiter verdienen. Entlang der Lieferkette bis hin zu den westlichen Industrienationen bereichern sich alle an den armen Familien, die ihr Leben in den einsturzgefährdeten Minen riskieren. 4) 3) 1)

Diese Ausbeutung ist möglich, weil die Arbeit in vielen der Micaminen illegal ist und somit nur schwer faire Arbeitsbedingungen und Einkaufpreise durchgesetzt werden können. Dabei war das nicht immer so: Früher, als der Abbau von Mica in den Minen noch legal war, waren die Regionen Bihar und Jharkhand für den Abbau von Mica weit bekannt. In den 80ern und 90ern verboten die Behörden die Nutzung der meisten Abbaustätten des Minerals, entweder weil es in den unbefestigten Minen ein zu hohes Sicherheitsrisiko gab, oder um die Waldbestände in der Umgebung zu bewahren. Trotzdem ging das Schürfen des Rohstoffs illegal und unter prekären Arbeitsbedingungen weiter, weil die Menschen in der Region keine andere Arbeit finden. Auch das Ziel, die Umwelt durch das Minenverbot zu schützen, wurde nicht erreicht. Laut einer aktuellen Analyse, die Zeit Online und die Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegeben haben, haben sich die Rodungen rund um die stillgelegten Minen seit 2016 mehr als verdreifacht. Erst wenn die Arbeit in den Minen wieder legal wird oder die Menschen die Möglichkeit bekommen, in anderen Wirtschaftsbereichen zu arbeiten, werden die Arbeitsbedingungen und Löhne für die Beschäftigten fair werden. Sobald die Mütter und Väter an ihren Stellen eine Entlohnung erhalten, die mindestens dem Mindestlohn entspricht, können sie ihre Kinder auch wieder zur Schule schicken. 3) 2) 1)

Sowohl für Hilfsorganisationen als auch für die Unternehmen, die das Mica in ihren Produkten verarbeiten, ist es aufgrund der intransparenten Lieferketten unmöglich, sicherzustellen, dass der Rohstoff nicht durch Kinderarbeit abgebaut wurde. Das Kosmetikunternehmen Lush will dieses Risiko nicht eingehen und setzt daher auf synthetisch hergestelltes Mica. Über 80 Unternehmen aus Kosmetik- und Autobranche sowie das Kinderhilfswerk Terre des Hommes haben außerdem die Responsible Mica Initiative (RMI) gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, Kinderarbeit und menschenverachtende Arbeitsbedingungen beim Abbau von Mica bis 2030 abzuschaffen. Dabei setzen sie auf Nachvollziehbarkeit von Lieferketten und Projekten vor Ort, die Kindern eine Schulbildung ermöglichen sollen. 3) 5) 6) 7)

Die Kinderrechtsexpertin Barabara Küppers von Terre des Hommes sagt: „Wir bitten ausdrücklich darum, Produkte mit Mica nicht zu boykottieren. Wir wollen, dass sich die Situation grundlegend ändert, nicht dass der Abbau plötzlich komplett aufhört. Denn dann verlieren die Menschen auf einen Schlag ihre einzige Einkommensquelle, und es wird für sie noch schwieriger. Die Kinder brauchen Alternativen.“ Sie rät, stattdessen Hilfsprojekte vor Ort zu unterstützen, zum Beispiel von Terre des Hommes selbst. Außerdem ist es hilfreich, den Unternehmen, die das Mica importieren, durch Demonstrationen und andere Aktionen Druck zu machen, sich für den fairen Abbau von Mica zu engagieren. 2) 8)

  1. SRF Dok: Glitzermineral Mica – Kinderarbeit für unsere Autos, Handys und Kosmetik, erschienen am 15.05.2023
  2. Ökotest: Glimmermineral Mica. Kinderarbeit für ein bisschen Glitzer, erschienen am 12.02.2023
  3. Tagesschau: Kinderarbeit für Glanz und Glitzer, erschienen am 02.01.2022
  4. Weltspiegel: Kinderarbeit für Kosmetik – Mica-Minen in Indien, erschienen am 28.01.2022
  5. Responsible Mica Initiative: Responsible Mica Initiative Mission, Stand 14.09.2023
  6. Responsible Mica Initiative: Holistic Approach, Stand 14.09.2023
  7. Responsible Mica Initiative: Members, Stand 14.09. 2023
  8. Terre des Hommes: Mach Schluss mit Kinderarbeit in den Mica-Minen, Stand 14.09.2023



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