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Indien: Tempeldienerinnen werden als Prostituierte missbraucht

Devadasi werden schon in jungen Jahren von ihrer Familie gezwungen, sich zu prostituieren. |  Bild: INDIA MUMBAI RED LIGHT FALKLANDROAD © Presse750 | Dreamstime.com [Royalty Free]  - Dreamstime

Devadasi werden schon in jungen Jahren von ihrer Familie gezwungen, sich zu prostituieren. | Bild: INDIA MUMBAI RED LIGHT FALKLANDROAD © Presse750 | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime

Die Devadasi sind Mädchen und Frauen, die von ihren Eltern an eine Gottheit „verheiratet“ wurden. Als Gottesdienerin gehört es jedoch nicht vorrangig zu ihren Aufgaben, den Tempel zu pflegen – Devadasi sind Prostituierte, die zu keinem Mann „Nein“ sagen dürfen und die somit regelmäßig vergewaltigt werden. Die Mädchen sind noch minderjährig, wenn sie an der Zeremonie teilnehmen, die sie zu Tempeldienerinnen macht. Manche sind erst vier Jahre alt. Die kleinen Kinder dürfen nach der Weihung zur Devadasi noch ein paar Jahre bei ihrer Familie leben, bevor sie von ihren Eltern im Alter von etwa zehn Jahren an einen Mann verkauft werden, der für ihre Jungfräulichkeit zahlt. Oftmals handelt es sich bei diesen Männern um die Onkel des kleinen Kindes, die sich einige Monate an dem Mädchen vergehen und sie dann an andere weiterverkaufen. Mädchen, die schon in der Pubertät sind, werden entweder als Dienerin im Tempel angestellt oder direkt vom Tempel an ein Bordell verhökert. Im Tempel müssen Devadasi erotische Tänze aufführen und sowohl den Priestern als auch den Tempelbesuchern sexuell zur Verfügung stehen. Als Sexarbeiterin im Bordell sind die Mädchen gezwungen, nach ihrer ersten Menstruation mit der Prostitution zu beginnen, nicht selten wird diese mit künstlichen Mitteln herbeigeführt. Da die Zuhälter die Mädchen „gekauft“ haben, befinden sich die Devadasi in einer Schuldknechtschaft und müssen den Bordellbetreibern als Entschädigung für ihre Freiheit horrende Summen zahlen. Diese können die Frauen fast nie aufbringen, Selbstbestimmung über das eigene Leben wird aussichtslos. Wenn die Devadasi Widerstand wagen, werden sie mit Schlägen, Gruppenvergewaltigungen und Nahrungsentzug zur Ordnung gerufen. Die Gottesdienerinnen verlieren im Moment ihrer Weihung alle Macht über ihren Körper. Devadasi sind in der indischen Gesellschaft geächtet und bekommen von der Zivilbevölkerung keine Unterstützung. 1) 2) 3)

Die Eltern der jungen Mädchen nehmen dabei bewusst die Rolle des Zuhälters ein. Sie wissen, dass sich ihre Töchter nach der Weihung als Devadasi ihr ganzes Leben lang prostituieren müssen. In Indien sind Frauen noch immer weniger wert als männliche Nachkommen. Deshalb werden die erstgeborenen Töchter in manchen Regionen der Gottheit geschenkt, um damit um einen Sohn zu bitten, der die Familienlinie weiterführt. Außerdem soll das Opfer, das das Mädchen durch ihr Leben als Devadasi darbringt, ihre Familie vor Schicksalsschlägen schützen. Oftmals hat die Entscheidung, die kleine Tochter zu einer Devadasi zu machen, aber gar keine religiösen Gründe. Die Tradition, die Mädchen zu einem Leben als Tempeldienerinnen zu zwingen, ist eine Möglichkeit für Eltern, ihre Kinder loszuwerden und sich der Verantwortung für sie zu entziehen. Das ist oft der Fall, wenn das Kind krank ist oder die Familie sich aus finanziellen Gründen die teure Mitgift für die Verheiratung des Mädchens nicht leisten kann. Wenn die Kinder Prostituierte im Bordell werden, verdienen sie im Vergleich zu anderen Berufen in armen Regionen Indiens gutes Geld. Mit ihrem Verdienst unterhalten viele Devadasi ihre Familien, durch die sie erst in die schlimme Lage gekommen waren. Eine Devadasi erzählt: „Wir haben es noch nie gemocht, mit den Kunden zu schlafen. Aber wenigstens unseren Eltern geht es gut. Sie haben etwas zu essen, im Gegensatz zu uns.“ Ein Mädchen, das noch minderjährig ist und von ihren Eltern zur Prostituierten gemacht wurde, ist Alleinverdiener der Familie und muss als Sexarbeiterin ihre Großeltern, Eltern und die Geschwister ernähren. Nur durch das Opfer ihrer Kindheit und ihres Rechts auf Selbstbestimmung besuchen ihre Geschwister die Schule und erhalten eine Ausbildung. Dass auch die kleine Devadasi noch ein Kind ist, wird in dieser Familie nicht beherzigt. 1) 3) 2) 3) 4)

Dabei befanden die Devadasi sich nicht immer in einer so misslichen Lage: Ursprünglich genossen die Tempeldienerinnen durch ihren Status als Ehefrauen einer Gottheit hohes Ansehen in der Gesellschaft. Sie waren in den Tempeln als rituelle Dienerin, Tänzerin und Geliebte von Priestern und reichen Geldgebern des Tempels angestellt. Auch früher gehörte also der Sex mit mehreren Männern zu ihren Aufgaben, dieser galt allerdings als heiliger Akt, da Intimität mit den Ehefrauen Gottes als Sex mit der Gottheit selbst verstanden wurde. Nur Männern aus hohen Kasten kam dieses Privileg zuteil und die intime Verbindung mit einer Devadasi bedeutete für einen Mann einen Anstieg seines Status. Durch das hohe gesellschaftliche Ansehen konnten die Tempeldienerinnen ein besseres Leben als die reichsten Frauen führen. In einem Land, in dem Frauen strukturell benachteiligt wurden und werden, bekamen Devadasi vom Tempel ein festes Gehalt und Grundbesitz gestellt. Sie wurden umfassend ausgebildet, galten als Oberhaupt ihres Haushalts, durften Kinder adoptieren und sie als Erbe einsetzen. Dieses Maß an Selbstbestimmtheit war für andere Frauen damals eine Utopie. Nach der kolonialen Besetzung Indiens durch Großbritannien kam das christliche Gedankengut mit diesem Brauchtum in Berührung. Die westlichen Besatzer sahen den Sex in Verbindung mit Religion als verwerflich an. Beeinflusst von der Kolonialmacht verlor die indische Bevölkerung ihre Ehrerbietung gegenüber den Devadasi. Der Staat verbot die Arbeit von Devadasi in den Tempeln und raubte den Tempeldienerinnen somit ihr Vermögen und Ansehen. Das Gesetz beeinträchtigte jedoch nur die gute gesellschaftliche Stellung der Devadasi, weder die Prostitution noch der sexuelle Tanz wurden gesetzlich verboten. Viele der ehemaligen Dienerinnen Gottes rutschten somit in Armut und Prostitution ab. Das Eingreifen westlicher Mächte führte dazu, dass Mädchen und Frauen unter menschenverachtenden Umständen ihren Körper verkaufen müssen und für sie nicht mehr ausreichend gesorgt ist. Fortschritte, die im alten Indien im Bereich der Gleichberechtigung erfolgt waren, wurden auf Kosten der Frauen zunichte gemacht. 1)

Obwohl die Weihung zur Devadasi in Indien verboten ist, werden viele Mädchen aus traditionellen Gründen immer noch zu Tempeldienerinnen gemacht. Die Polizei ist korrupt und nur die wenigsten Mädchen trauen sich, in ihrer Situation um Hilfe zu bitten. Devadasi haben bis zu 60 Kunden in einer einzigen Nacht. Ihr Klientel besteht dabei großteils aus Lastwagenfahrern, die oftmals HIV verbreiten. Die Mädchen haben somit ein großes Risiko, selbst zu erkranken. Die Devadasi sind außerdem prädestiniert für Geschlechtskrankheiten und ungewollte Schwangerschaften. Je älter sie werden, desto weniger Geschäft machen sie. Deshalb bleibt ihren Kindern, denen meist der Zugang zu Schulbildung von der Gesellschaft verweigert wird, oft keine andere Wahl, als selbst in die Prostitution einzusteigen. Dieser Kreislauf muss unterbrochen werden. Mit Patenschaften für Kinder können wir dafür sorgen, dass sie zur Schule gehen dürfen und nicht schon im Kindesalter schreckliche Arbeiten verrichten müssen. 3) 4) 1)

  1. Heidelberg Asian Studies Publishing: Devadasis. Vom Tempeltanz zur Prostitution, erschienen im Februar 2014
  2. VICE: Prostitutes of God (Documentary), erschienen 21.08.2012
  3. Deutschlandfunk: Dienerinnen Gottes, sexuell missbraucht, erschienen am 22.12.2020
  4. Weltspiegel: Devadasi in Indien. Sexsklavinnen im Namen Gottes – Armut zwingt sie zur Prostitution, erschienen am 06.03.2021



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