Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat im Juni einen Bericht veröffentlicht, der sich mit dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und Kinderarbeit beschäftigt. Der Bericht untersucht die Beziehung zwischen klimawandelbedingten Ereignissen und aktuellen Tendenzen der Kinderarbeit weltweit. Die Studie präsentiert eine mehrdimensionale Beziehung zwischen den beiden Phänomenen mithilfe von qualitativen und quantitativen Methoden und den Daten aus 4 Ländern des Globalen Südens: Peru, Äthiopien, Nepal und Elfenbeinküste. Die Arbeit sollte vor allem ermitteln, inwieweit sich klimabedingte Ereignisse auf die Wahrscheinlichkeit auswirken, dass Minderjährige Kinderarbeit verrichten, und ob sie einen Einfluss auf die Dauer der Arbeitstage haben. 1)
Die FAO geht davon aus, dass sich die zunehmende Häufigkeit und Intensität von klimawandelbedingten Ereignissen auf die Lebensbedingungen, Lebensgrundlagen und Ernährung von vielen Menschen, vor allem aus ländlichen Gebieten, auswirken. Dies wiederum kann zu einer vermehrten Beteiligung der Kinder an Kinderarbeit führen. Laut Daten der ILO gibt es 64 Millionen Kinder, die im Agrarsektor gefährliche Tätigkeiten ausüben. Im Vergleich zu der Industrie und dem Dienstleistungssektor beträgt diese Zahl 67 Prozent der Kinder. Der Agrarsektor ist der am stärksten von natürlichen Ressourcen, extremen Wetterereignissen und schleichenden Umweltveränderungen abhängige Sektor. Aus diesem Grund stellt Kinderarbeit ein strukturelles Problem mit komplexen, tief gewurzelten Ursachen dar, das auch kulturübergreifend globale Herausforderungen verursacht.
Die Daten erlauben lediglich eine Analyse des Einflusses extremer Klimaereignisse auf die Beteiligung von Kindern an der Arbeit. Der direkte Effekt des Klimawandels auf Kinderarbeit konnte nicht untersucht werden. Daten aus Befragungen und qualitativen Interviews mit den Menschen in jedem Land wurden zusammen mit den jeweiligen mittleren monatlichen Niederschlagssummen untersucht. Auch ein zweites extremes Wetterereignis wurde miteinbezogen – lange Trockenperioden. Der Einfluss des Geschlechts der Kinder wurde ebenfalls analysiert. Die Studie erfasst weitere wichtige Determinanten, die einen Einfluss auf die Kinderarbeit haben können, wie z.B. der Zugang zu Sozialschutzsystemen und andere politisch relevante Variablen.
Die Ergebnisse sind sehr differenziert. Heftige Regenfälle in der Elfenbeinküste verringern das Auftreten von Kinderarbeit bei den Jungen, aber erhöhen es bei Mädchen. Dürren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Kinderarbeit unter den Jungen. Starke Regenfälle über einen langen Zeitraum steigern in Äthiopien die Kinderarbeit in den betroffenen Regionen um zwischen 10 und 25 Prozent. In Nepal bedeuten Dürren eine Erhöhung des Vorkommens von Kinderarbeit bei den Mädchen und eine Verringerung der Kinderarbeit bei den Jungen. In Peru hingegen steigern Dürren die Wahrscheinlichkeit, dass ein Junge einer Arbeit nachgeht, um 10 Prozent. Sie sind auch mit einer Verlängerung der Arbeitszeit assoziiert. Diese Tendenz gilt auch für starke Regenfälle. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nicht alle klimabezogenen Ereignisse das Auftreten von Kinderarbeit beeinflussen. Wenn sie es jedoch tun, dann ist es wahrscheinlicher, dass sie das Vorkommen von Kinderarbeit erhöhen und nicht verringern. Zusätzlich sind das Geschlecht des Kindes, das Land und die Art der extremen Wetterereignisse auch von Bedeutung. Sowohl langfristige als auch kurzfristige Veränderungen des Klimas können einen Effekt haben. Während Trockenperioden reicht den Menschen das Wasser für die Landwirtschaft, die Industrie und die Erhaltung persönlicher Hygiene nicht aus. Auf Haushaltsebene führt das zu niedrigem Einkommen, Nahrungsunsicherheit und Mangelernährung. Höhere Temperaturen und Hitzewellen sind auch mit einem erhöhten Risiko für Infektionskrankheiten assoziiert, wobei Kinder eine der am stärksten gefährdeten Gruppen gehören. Plötzlich eintretende Ereignisse wie Stürme und Überschwemmungen können außerdem zu mehr Unfallverletzungen führen und so viele Menschen vom Arbeitsmarkt verdrängen.
Aktuelle Studien sind sich einig, dass Kinderarbeit auf Armut zurückzuführen ist. Die Verringerung des Haushaltseinkommens sagt in vielen Ländern das vermehrte Vorkommen von Kinderarbeit und längere Arbeitszeiten voraus. Wenn die Arbeit, die die Kinder verrichten, steigt, ändert sich auch die Zeit, die sie in produktiven Tätigkeiten und der Erledigung von Haushaltspflichten verbringen, da sie ihre Familien finanziell unterstützen müssen. Das führt dazu, dass viele Kinderarbeiter der Schule überhaupt keine Zeit mehr widmen. So schlussfolgert die Studie, dass klimawandelbedingte Ereignisse die Bildung zahlreicher Kinder beeinträchtigen, vor allem wegen Kinderarbeit und Zwangsmigration.
Obwohl der Bericht schon einen Beweis für den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Kinderarbeit liefert, wird von den Ergebnissen klar, dass einheitliche Vorschriften in allen Ländern das Problem nicht lösen würden. Jedoch schlägt die FAO bestimmte Schritte vor, die an die Besonderheiten und Bedürfnisse jeder Region angepasst werden können. Man sollte den ländlichen Haushalten ein ausreichendes Einkommen und den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen gewährleisten. Das sollte mit Programmen kombiniert werden, die Bewusstsein für die Folgen der Kinderarbeit und die Wichtigkeit formaler Bildung schaffen. Weiterhin sollten Klima-Anpassungsstrategien vorgeschlagen werden, die die Verbesserung der Agrarinfrastruktur und die Einführung neuer Saatgutsorten begünstigen. Das sollte die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel und die Produktivität der Arbeiter erhöhen. Die Arbeiter sollten zusätzlich über bevorstehende regionale Wettermuster informiert werden und Zugang zu öffentlichen und privaten Versicherungen und Kredite bekommen, damit sie klimawandelbedingte Ereignisse erwarten und sich darauf vorbereiten können. Diese Maßnahmen und viele weitere zielen darauf ab, die Einstellung gegenüber Kinderarbeit und die bestehenden Praktiken in den Ländern des Globalen Südens langfristig zu verändern.
- reliefweb: The relations between climate change and child labour in agriculture; Artikel vom 09.06.2023 ↩