Äthiopien ist eines der bevölkerungsreichsten Länder in Afrika. Das Land sah sich in der Vergangenheit mit vielen Herausforderungen wie Bürgerkriegen und anhaltenden Dürreperioden konfrontiert. Minimal funktionierende soziale Dienste, unzureichende Ressourcen für alle 110 Millionen Menschen, fehlende Infrastruktur und noch viel mehr sorgen für eine sehr schwierige Situation im Land. Die Landwirtschaft macht fast die Hälfte des BIP von Äthiopien aus und ist somit die Haupteinnahmequelle für viele Menschen. Die meisten leben in ländlichen Gebieten. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Armut bringt weitere Probleme mit sich – schwieriger Zugang zu Sanitäreinrichtungen, Wasser und Gesundheitsdiensten, auch akute Nahrungsunsicherheit und häufige Krankheitsausbrüche. Außerdem nimmt die Bevölkerung kontinuierlich zu. 2017 war fast die Hälfte aller Äthiopier unter 15 Jahre alt. In Afrika ist so etwas traditionell ein Segen, da die meisten Familien sehr arm sind und die zusätzliche Arbeitskraft brauchen. Es gibt große Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Gebieten, aber die Kinder sind vor allem in den ländlichen konzentriert. Die meisten Kinder leben in mehrdimensionaler Armut. Ihre Familien können sich Ernährung, Bildung, Gesundheitsversorgung und Unterkunft nicht leisten und müssen oft wählen. Äthiopien hat auch den höchsten Anteil an AIDS-Waisen in Subsahara-Afrika. So sind viele Kinder gezwungen, sich selbst zu ernähren oder zum Haushaltseinkommen beizutragen, damit die Familie nicht verhungert. 41,5 Prozent der 7- bis 14-Jährigen verrichten eine Arbeit, viele davon die schlimmsten Formen. Die Jungen werden am häufigsten auf die Felder und Plantagen geschickt. Die Mädchen hingegen verkaufen Gewürze auf dem Markt oder sind als Hausangestellte tätig. Für den Drogenhandel und Prostitution werden Kinder ebenfalls eingesetzt. Besonders auf Kaffeeplantagen ist Kinderarbeit weit verbreitet. Der Kaffeeanbau und Handel stellt die Lebensgrundlage vieler Menschen dar. Am häufigsten müssen die Kinder Tiere verjagen, die die Pflanzen beschädigen können. Sie werden auch bei der Kaffeeernte und für den Abtransport der Ware genutzt. Allein im letzten Jahr hat Deutschland Kaffee, Tee und Gewürze in Höhe von 230 Millionen US-Dollar aus Äthiopien importiert. 1) 2) 3)
Die Minderjährigen arbeiten lange Arbeitstage in menschenrechtswidrigen, gefährlichen Bedingungen für minimale Löhne und können dann oft für ihre Unterkunft nicht bezahlen. Dann landen sie auf der Straße, wo sie Krankheiten wie Tuberkulose und Malaria, Diskriminierung, Misshandlung und Drogenmissbrauch ausgesetzt sind. Diese katastrophalen Umstände sind jedoch nicht das Ende der Leiden äthiopischer Kinder. Das Land hat heutzutage immer noch eine der größten Raten des Sklavenhandels der Welt. Jedes Jahr verkaufen Tausende Eltern ihre Kinder für sehr kleine Summen. Dann werden sie zur Arbeit in Minen, Fabriken und auf den Feldern gezwungen. Bei den Mädchen kommt Sexhandel auch oft vor. Manche Minderjährige werden zu „Qenja“: Einige Familien haben zu wenig Kinder und Familienmitglieder, aber besitzen einen Acker oder viele Tiere. Da arme Familien oft viele Kinder haben, die sie nicht versorgen können, geben sie ihre Kinder an wohlhabendere Familien ab und bekommen dafür Geld oder Lebensmittel. Die andere Familie bekommt so genügend Arbeitskräfte, die jetzt die ganze Arbeit im Haushalt oder auf dem Feld schaffen können. Diese bedauerliche Tendenz stellen die Geschichten von Adamluk und Abeba dar, die beispielhaft für das Schicksal Tausender äthiopischen Kinder stehen. 4) 5)
Die Organisation Kindernothilfe e.V. schilderte 2020 den Fall von Adamluk und sein Leben in einem kleinen Dorf in der Gemeinde Ageni Fereda. Damals war er 12 Jahre alt. Seine Mutter konnte ihn nicht mehr ernähren, deshalb wurde er an seine neuen Besitzer für zwei Jahre „verpachtet“. Sie hatten etwas Land und brauchten eine billige Arbeitskraft. Dafür bekam die Mutter von Adamluk ca. 30 Euro. So musste er für Unterkunft und Verpflegung auf dem Feld oder bei den Tieren arbeiten. Er schuftete manchmal 16 Stunden pro Tag, 7 Tage in der Woche. Oftmals bekommen Kinder wie er keine freien Tage oder Ferien. Der Kontakt zur eigenen Familie ist auch nicht gewährleistet. Ob er zu seiner Familie zurückgegangen ist, ist nicht klar, aber eine Verlängerung der Vereinbarung ist keine Seltenheit. Vor der Pandemie besuchte Adamluk die Grundschule. Danach fand kein Unterricht mehr statt. Außerdem müssen die Besitzer im Prinzip zustimmen, dass ihre Kinderarbeiter die Schule besuchen, und das ist nicht immer der Fall. Die Arbeit ist viel und die Kinder können ihre Rechte gar nicht wahrnehmen. Sie haben keine Zeit zum Spielen, lernen oft nicht lesen, schreiben und rechnen. Auch nachdem die Pacht ausgelaufen ist, können die Kinder die verlorene Zeit in der Schule nicht aufholen. 6)
Ähnlich geht es der kleinen Abeba. Früher wohnte sie mit ihrer Mutter bei ihren Großeltern. Nach dem Tod ihres Großvaters haben ihre Mutter und Großmutter Abeba zu einer fremden Familie geschickt. Sie war noch nicht 5 Jahre alt. Sie bekommt jetzt dort Unterkunft und Essen, muss aber die Haushaltsarbeit erledigen und hat ihre Familie seither nicht wiedergesehen. Ihre Mutter und Großmutter arbeiten auch als Haushalshelfer. Früh am Morgen treibt sie mit einem anderen Qenja die Kühe auf ein Feld im Dorf. Danach bereitet sie das Frühstück für die ganze Familie vor. Sie kümmert sich dann um die Wäsche, fegt und schrubbt das ganze Haus. Manchmal kümmert sie sich um die kleinen Kinder der Familie. Sie bereitet das Abendessen vor und muss dann die Tiere zurück zum Stall bringen. Häufig muss das Mädchen während des Tages zur Wasserstelle gehen und Wasser holen. Dabei muss sie eine Stunde zu Fuß gehen und dann den schweren Wasserkanister auf dem Rücken tragen. Alle Qenja schlafen zusammen in einem Zimmer und in einem Bett. 7)
Die meisten Kinder, die verkauft werden, gehen nie zur Schule. Sie können leider aus dem schlimmen Kreislauf aus Armut und Hunger nie entkommen. Sie und ihre Familien bleiben Opfer der gewaltsamen Konflikte und der Klimakrise und können das Elend nicht lindern. Mehrere Projekte von UNICEF zielen auf die HIV-Behandlung und die Verbesserung der Bildung ab. Kinderhochzeiten wurden auch verboten. Man hat in der Hauptstadt sogar 10 Polizeistationen speziell zum Kinderschutz eingerichtet. Die bedürftigsten Kinder erreichen aber diese Maßnahmen nicht. Damit sich die Lage langfristig verbessert, braucht das Land noch mehr Geld, Unterstützung und Stabilität. Es ist zu empfehlen, dass Kaffeegenießer Kaffee mit dem Fairtrade-Siegel kaufen und gleichzeitig auf das Bio-Siegel achten. Für diesen Kaffee gibt es einen Mindestpreis, der ein stabiles Einkommen für die Kaffeeproduzenten sicherstellt. So leistet man auch einen kleinen Beitrag im Kampf gegen die Kinderarbeit in Äthiopien. 8)
- humanium: Kinder in Äthiopien; Stand September 2023 ↩
- trading economics: Germany Imports from Ethiopia; Stand September 2023 ↩
- the world factbook: Ethiopia; Stand September 2023 ↩
- ILAB: Ethiopia; Stand September 2023 ↩
- Science Direct: Coffee, child labour, and education: Examining a triple social–ecological trade-off in an Afromontane forest landscape; Artikel vom 08.10.2022 ↩
- Kindernothilfe: Äthiopien: Der zähe Kampf gegen Kinderarbeit und Kinderhandel; Stand September 2023 ↩
- Robinson im Netz: Abeba aus Äthiopien, 6 Jahre: Mein 12-Stunden-Tag; Stand September 2023 ↩
- Fairtrade: Fairtrade-Kaffee; Stand September 2023 ↩