Jade gilt als „königlicher Edelstein“ und symbolisiert in der chinesischen Kultur das Gute, Kostbare und Schöne. Er ist schwer zu bearbeiten und wird in vielen Kulturen außerordentlich geschätzt. Genau dieses Material ist für die Militärregierung in Myanmar eine wichtige Einkommensquelle. Die Gegner der Regierung fordern seit Langem einen Jadeboykott, Proteste werden aber brutal niedergeschlagen. Für die Arbeiter in den Jademinen war der Edelstein nie ein Symbol für das Gute. 1) 2)
Der Großteil von Jade weltweit wird in Myanmar abgebaut und nach China transportiert. Die Jadeindustrie von Myanmar ist 31 Milliarden Dollar wert – fast die Hälfte des offiziellen BIP des Landes. Die Militärjunta und Rebellengruppen profitieren stark von den Jademinen, allerdings auf Kosten der billigen Arbeitskräfte. Die Jademinen als wichtigste Finanzierungsquelle erhalten die Militärdiktatur aufrecht. Die Jadegewinnung wird von der Regierung nicht wirksam reguliert und die Arbeit ist sehr gefährlich. Die Kleinstadt Hpakant gilt als Zentrum des größten und lukrativsten Jadebergbaureviers der Welt. Bereits im Juli 2020 sind in dieser Gegend mehr als 170 Menschen durch einen Erdrutsch bei einer Jademine ums Leben gekommen. Dasselbe ist 2015 auch passiert, als 110 Menschen nach einem Umfall ihr Leben verloren haben. Was hat sich seitdem verändert? 3) 4) 5)
Gar nicht so viel. Der Abbau unterliegt immer noch keinerlei Beschränkungen. Es fehlt an besseren Standards. Obwohl Menschenrechtsaktivisten die Lage stark kritisieren und Veränderung fordern, stehen viele der Bergbaufirmen mit der Militärjunta in Verbindung und verdienen viel durch die Einstellung von schlecht bezahlten Wanderarbeitern. Vor einer Woche ist der letzte Vorfall in derselben Gemeinde passiert. In den vergangenen Tagen hatte es in der Region ungewöhnlich heftigen Regen gegeben. So wurde eine bis zu 180 Meter hohe Erdhalde aufgeweicht und nach einem riesigen Rutsch wurden Dutzende Menschen in der Mine begraben, die meisten davon Einheimische, die nach Gesteinsbrocken suchten. Rettungskräfte haben bisher 34 Leichen geborgen, einige sind als vermisst gemeldet. Die Industrie, die durch Chinas Nachfrage angetrieben wird, zeichnet sich durch Korruption, Ausbeutung und umweltfeindliche Praktiken aus. Minenarbeiter sind häufig verarmte Einwanderer aus anderen Regionen des Landes, die unter Lebensgefahr und Verletzungsrisiko jeden Tag in den Minen tätig sind – viele auch Minderjährige. 6)
Myanmar leidet unter struktureller Armut, wobei ein Drittel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt. Die meisten Kinder, vor allem aus ländlichen Gebieten, leben im Kreislauf der Armut. Defizite im Gesundheitswesen und mangelnde Schulbildung werden oft als wichtigste Herausforderungen thematisiert. Weiterhin werden manche Opfer von physischer, sexueller und psychischer Gewalt. Es mangelt an Hygiene und Nahrungsmitteln. Übrigens stellen AIDS und unterschiedliche Mangelerscheinungen auch eine große Bedrohung dar. Myanmar ist das Land mit dem höchsten Anteil an Kindersoldaten weltweit. Viele Minderjährige werden entführt und als Kindersoldaten im Kampf gegen ethnische Rebellen eingesetzt. Viele Familien fliehen, bleiben obdachlos und ohne Schutz. Kinder aus armen Familien sehen sich oft gezwungen, einer Arbeit nachzugehen, um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Laut Statistiken arbeiten über 1 Million 5- bis 17-Jährige in Myanmar, viele davon auf der Straße und in Edelsteinminen. Kinderprostitution ist auch nicht ungewöhnlich. Die Arbeit in Bergwerken und auf Baustellen ist für die körperliche und seelische Entwicklung der Kinder schädlich. 7)
In diesem vom politischen Chaos, Korruption und Ungerechtigkeit erschütterten Land lebt der kleine Min Min. Min ist ein 13-jähriger Junge, der täglich in der Jademine in Hpakant schuften muss. Die Schule besucht er seit Jahren nicht mehr. Er hat seine Eltern verlassen und wohnt bei seinem Onkel und seiner Tante. Seine Geschwister sind bei seiner Mutter und seinem Vater geblieben, der auch in einer Jademine arbeitet. Der Tag von Min fängt früh an. Er geht mit den anderen Männern in die Mine und sucht nach den wertvollen Steinen. Die Arbeit ist ermüdend und die meisten Brocken, die gefunden werden, sind klein, sagt Min. Wenn die Gesteinsbrocken aber groß sind, nehme das Bergbauunternehmen oft die Hälfte des verdienten Geldes. Min ist sich des hohen Risikos bewusst. Er habe selber gesehen, wie ein Mann in der Mine ums Leben gekommen ist. Abends gehen die Arbeiter wieder in die Mine. Min Min erzählt, dass viele Arbeiter Drogen nehmen und süchtig werden. Das Kind möchte aber sein Geld sparen und eines Tages ein Haus haben, um sich um seine Eltern zu kümmern. 8)
Diese alarmierende Situation ist vielen Organisationen bekannt. Sie versuchen, die Rechte der Kinder zu verteidigen. Die zwei Hauptkonventionen der ILO zur Abschaffung der Kinderarbeit wurden in Myanmar bereits 2020 ratifiziert. Mit der Unterstützung der ILO und ihrer Partner, einschließlich des Arbeitsministeriums der Vereinigten Staaten, ist die Kinderarbeit in den letzten drei Jahren in drei Gemeinden in Myanmar um 55 Prozent zurückgegangen. Bevor die demokratische Regierung von Aung San Suu Kyi 2021 gestürzt wurde, war das Mindestalter in Fabriken und im Einzelhandel angehoben worden. Die Vollzeitanstellung von Kindern unter 16 wurde auch verboten. Internationale Konzerne wie der Kleidungshersteller H&M und Telenor, eines von Myanmars führenden Telekommunikationsunternehmen, führten eine Null-Toleranz-Politik bei Kinderarbeit ein und setzten sich gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen für Kinderrechte ein. 9)
Jedoch bleiben immer noch Hunderte Opfer der Armut und der ausbeuterischen Kinderarbeit. Wenn sich die politische Lage bald nicht stabilisiert, kann nicht damit gerechnet werden, dass das Problem komplett beseitigt werden kann. Bis dahin sollten Menschen über die Lage in Myanmar weiter aufgeklärt und dazu aufgefordert werden, ihr Konsumverhalten verantwortungsbewusst und vernünftig zu gestalten.
- rheinische Post: Unglück in Myanmar – Mehr als 30 Tote nach Erdrutsch an Jademine geborgen; Artikel vom 16.08.2023 ↩
- Renesim: Jade; Stand August 2023 ↩
- CNN: At least 32 dead after landslide at Myanmar jade mine; Artikel vom 16.08.2023 ↩
- welt-sichten: Jade in Myanmar – Die Schürfer setzen ihr Leben aufs Spiel; Artikel vom 18.02.2021 ↩
- BBC: Myanmar landslide: At least 30 missing at jade mine; Artikel vom 15.08.2023 ↩
- yahoo: Zahl der Toten bei Erdrutsch in Jade-Mine in Myanmar auf mindestens 31 gestiegen; Artikel vom 16.08.2023 ↩
- Humanium: Kinder in Myanmar; Stand August 2023 ↩
- ILO Voices: Child labour in Myanmar’s jade mines is a deadly gamble; Artikel vom 11.01.2021 ↩
- n-tv: „Wir müssen geduldig sein – „Myanmar will Kinderarbeit bekämpfen“; Artikel vom 12.06.2018 ↩