In den vergangenen Jahrzehnten war eine positive Entwicklung im Kampf gegen Kinderarbeit zu beobachten – die Anzahl der Kinderarbeiter ist zwischen den Jahren 2000 und 2016 von 246 auf 152 Millionen kontinuierlich zurückgegangen. Diese erfreuliche Tendenz wurde durch die Corona-Krise jedoch leider unterbrochen. Da viele Familien im Zuge der Corona-Krise ihre Jobs verloren haben, waren zahlreiche Kinder gezwungen, eine Arbeit zu finden, um einen Lebensunterhalt zu sichern. Ein Großteil der Bevölkerung lebt trotz des Wirtschaftsbooms im vergangenen Jahrzehnt unter der Armutsgrenze, oft trotz Erwerbstätigkeit. Menschen ohne besondere Bildung, vor allem aus ländlichen Gebieten, nehmen ihre Kinder aus den Schulen und lassen sie arbeiten, damit ein hinreichendes Einkommen erreicht werden kann. Manche müssen in einer Großstadt nach einem Job suchen oder auf Baumwollplantagen und Reisfeldern helfen, andere werden an Kinderhändler verkauft. Obwohl in Indien eine Schulpflicht bis zum 14. Lebensjahr besteht und die Teilnahme am Unterricht kostenlos ist, sind die nötigen Schulmaterialen und Transport für die Familien oft zu teuer. Als Folge besucht der Nachwuchs die Schule nur unregelmäßig und bleibt ohne bessere Zukunftsperspektiven. Laut eines im Juni 2021 veröffentlichten Berichts der ILO gab es 2020 weltweit rund 160 Millionen Kinder zwischen 5 und 17 Jahren, die als Arbeiter ausgebeutet wurden. Vor 10 Jahren betrug die Zahl der Kinderarbeiter in Indien 12 Millionen, jedoch gehen Hilfsorganisationen davon aus, dass sogar bis zu 30 Millionen Minderjährige betroffen sein könnten. Viele der 12- bis 17-Jährigen arbeiten bis zu 16 Stunden täglich, damit ihre Familien sich ernähren können, wobei es nicht ungewöhnlich ist, dass sie die schlimmsten Formen der Kinderarbeit verrichten müssen. 1)
Rund 70 Prozent aller Kinderarbeiter sind im landwirtschaftlichen Sektor tätig. 20 Prozent werden als Servicekräfte eingestellt und die anderen 10 arbeiten in der Industrie. In vielen Ländern Asiens und Afrikas ist die Produktion von Textilien eine weit verbreitete Arbeit, auch unter den Kindern. Indien ist keine Ausnahme. Da werden Minderjährige für unterschiedliche Zwecke eingesetzt. Sie nähen Kleidungsstücke und spinnen Wolle und Seide, viel davon geschieht von Hand. Es werden auch unterschiedliche Werkzeuge genutzt. Nähmaschinen, Nadeln und Messer stellen für die Kinder ein großes Verletzungsrisiko dar, weil sie meistens kein Training zum richtigen Umgang mit den Werkzeugen absolvieren. Die Arbeiter sind gefährlichen Chemikalien, beengten Bedingungen mit wenig Licht und mangelnden Hygienestandards ausgesetzt. Die kleinen Werkstätten sind baufällig, wobei Brände oder Einstürze immer wieder vorkommen. Es wird außerdem davon berichtet, dass Kinder in Fabriken auch geschlagen werden. Erschütternd ist, dass Mädchen oft auch sexuelle Belästigung von der Seite des Arbeitsgebers und der Aufseher ertragen müssen. Die Löhne sind ein weiterer problematischer Punkt. Für ein Hemd bekommt die Näherin oft nicht mehr als 20 Cent. Handelt es sich dabei um ein Kind, bekommt dies nur die Hälfte davon oder sogar weniger. Die Löhne reichen für Unterkunft und Lebensmittel nur unter der Bedingung, dass die ganze Familie arbeitet. Von Krankenversicherungen kann man nicht sprechen. Streiks gegen diese schrecklichen Bedingungen werden von der indischen Polizei eingedämmt. 2) 3) 4)
Die NGO GoodWeave International und die Fair Wear Foundation haben vor 2 Tagen ihre Partnerschaft angekündigt, die die Arbeitsbedingungen in der textilen Lieferkette in Indien verbessern soll. Die Bemühungen richten sich vor allem an Kinder-, Zwangs- und Schuldknechtschaftsarbeit in der Schattenwirtschaft. Fair Wear-Mitglieder, die Textilien aus Indien importieren, werden gefördert, mit GoodWeave einen Lizenzvertrag abzuschließen. So bekommen sie die Möglichkeit, bei der Zurückverfolgung und Inspektion der Lieferkette von der Expertise von GoodWeave zu profitieren. Heim- und Leiharbeiter sollen auch geschützt werden, da das häufige Auftreten von Kinderarbeit eine Folge der Heimarbeit in diesem Industriezweig ist. Programme zur Abhilfe und Prävention sind auch Teil des Projekts. Die Kollaboration soll die Transparenz der Lieferkette verbessern und Bekleidungsunternehmen als Ressource dienen, damit sie ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten optimal umsetzen können. Käufer auf der Suche nach Textilien sollen von nun an auf das GoodWeave Label achten. 5) 6) 7)
Natürlich setzen solche Initiativen dem Kampf gegen Kinderarbeit kein Ende. Verbraucherverhalten spielt auch eine wichtige Rolle. Laut Statistiken kauft jeder Deutsche im Durchschnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr. Wichtig ist, dass sie möglichst lange getragen werden. Der günstige Preis ist für die meisten Konsumenten das ausschlaggebende Kriterium, deutet aber auf fragwürdige Arbeitsstandards in den Produktionsstätten hin. Verschiedene Zertifikate wie das GOTS-Siegel weisen auf faire Textilien hin. Nicht zuletzt muss man auf Unternehmen achten, die sich gegen Kinderarbeit einsetzen, sich entsprechend engagieren und ihre Produktionsstätten unabhängig kontrollieren lassen.
- sos Kinderdörfer: Kinderarbeit in Indien; Stand August 2023 ↩
- aktiv gegen Kinderarbeit: Kann ein Freihandelsabkommen mit Indien Kinderarbeit reduzieren?; Artikel vom 14.02.2018 ↩
- lost Children: Kinderarbeit in der Textilindustrie; Artikel vom 25.07.2022 ↩
- fashion united: Textilindustrie: Kinderarbeit noch verbreitet; Artikel vom 08.10.2013 ↩
- just style: GoodWeave, Fair Wear to tackle forced labour in India apparel supply chain; Artikel vom 22.08.2023 ↩
- GoodWeave: GoodWeave and Fair Wear announce partnership to improve working conditions in apparel and textile supply chains; Artikel vom 22.08.2023 ↩
- texfash: GoodWeave and Fair Wear Join Forces to Improve Working Conditions in Supply Chains; Artikel vom 23.08.2023 ↩