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EU-Lieferkettengesetz zum Schutz der Menschenrechte: Schwächen trotz begründeter Hoffnung

Justizia und die Flagge der Europäischen Union. Symbol für Recht und Gerechtigkeit.Das kommende EU-Lieferkettengesetz soll tiefergreifende Maßnahmen zum Menschen- und Kinderrechtsschutz ergreifen.  |  Bild: Justizia und die Flagge der Europäischen Union. Symbol für Recht und Gerechtigkeit. © Marian Vejcik | Dreamstime.com [Royalty Free]  - DreamstimeJustizia und die Flagge der Europäischen Union. Symbol für Recht und Gerechtigkeit.

Das kommende EU-Lieferkettengesetz soll tiefergreifende Maßnahmen zum Menschen- und Kinderrechtsschutz ergreifen. | Bild: Justizia und die Flagge der Europäischen Union. Symbol für Recht und Gerechtigkeit. © Marian Vejcik | Dreamstime.com [Royalty Free] - Dreamstime

Deutschland ist der drittgrößte Hersteller von Maschinen und Anlagen weltweit. Ob Maschinen für den Bergbau, die Energieerzeugung, den Textilsektor oder die Lebensmittel- und Verpackungsindustrie – deutsche Maschinen sind weltweit ein Erfolgsschlager. Eine Studie von Germanwatch zeigt nun, dass deutsche Unternehmen in diesem Sektor zahlreiche Firmen und Staaten beliefern, die sich verheerender Menschenrechtsverletzungen und ausbeuterischer Kinderarbeit schuldig machen. 1) 2)

Die Belieferung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die die Menschenrechte verletzen, widerspricht sowohl den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte als auch den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Aufgrund zahlreicher Fälle von Menschen- und Kinderrechtsverletzungen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette weisen sie den Unternehmen die Verantwortung zu, „nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen, an denen sie beteiligt sind, [zu] begegnen“. Dieser Grundsatz gilt für alle Akteure in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette von Unternehmen sowie für Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Wertschöpfungskette eines Unternehmens beschreibt den Prozess von der Gewinnung des Rohstoffs über die Verarbeitung und den Transport des Produkts bis zum Handel und schließlich zur Nutzung und Entsorgung des Produkts. Die vorgelagerte Wertschöpfungskette umfasst dabei die Rohstoffherstellung und die weitere Verarbeitung des Rohstoffs. Die nachgelagerte Wertschöpfungskette beinhaltet alle Leistungen nach dem Verkauf von Produkten. Zwischen den beiden Prozessen erfolgt die Wertschöpfung durch das Unternehmen selbst, wie beispielsweise der Vertrieb von Produkten. Die internationalen Standards der U.N. und der OECD sind für Unternehmen rechtlich nicht verbindlich. 3) 4) 5) 6) 7)

Um Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit in Lieferketten dennoch entgegenzuwirken, wurde in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in die Wege geleitet, welches Januar 2023 in Kraft trat. Mit dem Gesetz wurde erstmals die Verantwortung der Unternehmen in Deutschland für die Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten geregelt. Es sieht vor, dass Unternehmen regelmäßig die Menschenrechts- und Umweltrisiken in ihren Lieferketten analysieren, Präventiv- und Abhilfemaßnahmen ergreifen, Beschwerdemechanismen einrichten und durch Berichte Transparenz über ihre Aktivitäten schaffen. 8) 9)

Das Gesetz weist jedoch entscheidende Regulierungslücken auf. So gelten die unternehmerischen Sorgfaltspflichten nur für das Unternehmen selbst sowie für die unmittelbaren Zulieferer, eingeschränkt auch für mittelbare Zulieferer. Dadurch werden nicht nur viele Akteure in der vorgelagerten Wertschöpfungskette von der Einhaltung der Menschenrechte entbunden, sondern auch die gesamte nachgelagerte Wertschöpfungskette, sowie Verbraucherinnen und Verbraucher. Deutsche Maschinen- und Anlagefirmen können ihre Produkte somit sanktionsfrei an Unternehmen und Staaten liefern, die Menschenrechte missachten. Darüber hinaus kritisieren Menschenrechtsaktivistinnen und –aktivisten die zu geringe Zahl an Unternehmen, die den Sorgfaltspflichten in Lieferketten unterliegt sowie die fehlende zivilrechtliche Haftungsregelung für Unternehmen bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht. Letzteres bedeutet für die Betroffenen, dass sie deutsche Unternehmen nicht vor deutschen Zivilgerichten verklagen können. 10)2) 11) 12)

Die mangelnde Konsequenz beim Schutz der Menschenrechte im deutschen Lieferkettengesetz mag zunächst ernüchternd erscheinen, doch es besteht Hoffnung. So könnten die Schlupflöcher im deutschen Lieferkettengesetz durch das bevorstehende EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) geschlossen werden. Das Gesetz wurde noch nicht verabschiedet, jedoch sind die Verhandlungen für das Frühjahr 2023 geplant. Mit Inkrafttreten des EU-Lieferkettengesetzes würden die Bestimmungen des LkSG ersetzt werden. Wie das LkSG zielt auch das EU-Lieferkettengesetz darauf ab, den Unternehmen in der EU bestimmte Sorgfaltspflichten zum Schutz der Menschenrechte aufzuerlegen. Im Gegensatz zum LkSG erwartet das EULieferkettengesetz von den Unternehmen, dass sie bei ihren Sorgfaltspflichten die gesamte Lieferkette berücksichtigen, einschließlich der Verbraucherinnen und Verbraucher. Außerdem gilt das europäische Gesetz für mehr Unternehmen als das deutsche, da Unternehmen mit 500 oder 250 Beschäftigten bereits der Regulierung unterliegen, im Gegensatz zu Deutschland mit 3000 beziehungsweise ab 2024 mit 1000 Beschäftigten. Auch enthält das EU-Liefergesetz möglicherweise eine zivilrechtliche Haftungsregelung für Firmen. 13) 14)

Trotz der tiefergreifenden Maßnahmen des EU-Lieferkettengesetzes, lassen sich auch hier Regulierungslücken finden, insbesondere mit Hinblick auf dessen Geltungsbereich. So würden beispielsweise in der Branche des Maschinen- und Anlagenbaus zahlreiche Unternehmen nicht von der Richtlinie erfasst werden. Nur sechs Prozent der deutschen Maschinenbauer beschäftigen mehr als 500 Mitarbeitende und etwa 15 Prozent mehr als 250. In vielen anderen Branchen ist es ähnlich. Diese Umstände bergen die große Gefahr, dass viele Menschenrechtsverletzungen unentdeckt bleiben und nicht verhindert oder sanktioniert werden können. 2)

Germanwatch und viele andere Organisationen appellieren daher an europäische Entscheidungsträgerinnen- und träger, den Geltungsbereich des EU-Lieferkettengesetzes auf mehr Unternehmen auszuweiten, sodass weitere versteckte Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit aufgedeckt und entsprechende Gegenmaßahmen eingeleitet werden. Vor allem in Risikobranchen wie dem Textilsektor, der Landwirtschaft oder in der Rohstoffgewinnung kommt es auch in den Lieferketten kleinerer Unternehmen häufig zu Menschen- und Kinderrechtsverletzungen. Daher ist es wichtig, alle Unternehmen für die Einhaltung der Menschen- und Kinderrechte in die Verantwortung zu ziehen. 2)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Entwicklungspolitik Online: Schlupflöcher im EU-Lieferkettengesetz stopfen; Artikel vom 17. April 2023
  2. Germanwatch: Unternehmensverantwortung im Maschinen- und Anlagebau; Artikel vom 14. April 2023
  3. Auswärtiges Amt: Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – Umetzung des Rahmens der Vereinten Nationen „Schutz, Achtung und Abhilfe“; Artikel vom Juni 2014
  4. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen; Stand 2011
  5. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Wertschöpfungsketten; Stand April 2023
  6. United Internet: Darstellung der Liefer- bzw. Wertschöpfungskette; Stand April 2023
  7. Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.: Unternehmen und Menschenrechte – Zögerliche Umsetzung der UN-Leitprinzipien; Artikel vom 29. Januar 2018
  8. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Das Lieferkettengesetz; Stand April 2023
  9. Corporate Social Responsibility-Initiative: Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten; Stand April 2023
  10. Bundesgesetzblatt: Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten; Artikel vom 16. Juli 2021
  11. Greenpeace: Menschenrechte und Umweltschutz ins Lieferkettengesetz; Artikel vom 6. Dezember 2022
  12. Amnesty International: Sorgfaltspflichten in Lieferketten: Gesetz hat Lücken beim Menschenrechtsschutz; Artikel vom 11. Juni 2021
  13. Corporate Social Responsibility-Initiative: EU-Lieferkettengesetz; Stand April 2023
  14. EQS Group AG: EU-Lieferkettengesetz verpflichtet zu fairer und nachhaltiger Wirtschaft; Artikel vom 8. Dezember 2022



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