Eine umstrittene Maßnahme gegen Kinderarbeit ist die Etablierung von Kindergewerkschaften. In vielen Ländern Asiens und Lateinamerika gibt es solche Kindergewerkschaften bereits. Oftmals sind es Länder, die von enormer Armut geprägt sind. Die Ausprägung ist hierbei so stark, dass der Unterhalt der Familie nur dann gewährleistet werden kann, wenn sich die Kinder entgeltlich betätigen. Kinderarbeit ist somit für viele Familien die Antwort auf bittere Armut. Langfristig betrachtet ist dieser Umstand nicht tolerierbar. Kurz- und mittelfristig hingegen, können Kindergewerkschaften für die arbeitenden Kinder bessere Rechte und Chancen aushandeln. Kindergewerkschaften organisieren die Kinder und achten gleichzeitig auf ihre Schulbildung. Die Gewerkschaften zielen beispielsweise besonders auf die Vereinbarkeit von Arbeit und Ausbildung ab. So tragen die Gewerkschaften zur Bekämpfung der Armut bei. Und wer die Armut bekämpft, bekämpft auch die Kinderarbeit. Gegner der Gewerkschaften hingegen vermuten, dass mit der Etablierung von Kindergewerkschaften auch die Akzeptanz von Kinderarbeit einhergeht.
Insgesamt bedeuten Kindergewerkschaften kurzfristig definitiv die Akzeptanz von Kinderarbeit und langfristig jedoch die Bekämpfung der Ursachen für Kinderarbeit. Sind die Kindergewerkschaften innerhalb eines Landes nicht in der Lage Kinderarbeit zu bekämpfen, so tragen sie wenigstens immer noch dazu bei, die Situation der arbeitenden Kinder zu verbessern. Kindergewerkschaften verfolgen also eine Politik der kleinen Schritte. Das hängt auch damit zusammen, dass die strikte Durchsetzung eines absoluten Verbotes von Kinderarbeit für viele Gegenden utopisch ist. 1)
Kinderarbeit abzuschaffen ist oft nur theoretisch möglich
Grundsätzlich ist Kinderarbeit in vielen Ländern verboten. Besonders die Internationale Arbeitsorganisation ILO hat sich hierfür mit verschiedenen Konventionen eingesetzt an die sich ein großer Teil der Staaten durch eine Ratifizierung gebunden hat. Durchsetzbar ist dieses Verbot jedoch wie bereits erwähnt aufgrund der Armut nicht. Auch aufgrund des völkerrechtlichen Charakters der Konventionen, sind ernstzunehmende Sanktionierungen bei Verstößen nicht zu erwarten. Der Lösungsansatz der Gewerkschaften besteht darin, die Kinderarbeit vorerst zu legalisieren und die Arbeitsbedingungen der Kinder schrittweise zu verbessern. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass die Gewerkschaften wissen, dass die Kinder aufgrund der Armut zur Arbeit gezwungen sind. In der Folge würde die Durchsetzung des Verbots von Kinderarbeit die sozialen Probleme in den betroffenen Ländern sogar verschlechtern. Das oftmals geforderte Verbot von Kinderarbeit soll laut den Gewerkschaften erst dann kommen, wenn die Familien nicht mehr auf die finanziellen Stützen angewiesen sind. Davor ist eine Durchsetzung nicht möglich. 2) 3)
Kindergewerkschaften versus ILO und den Westen
In Bolivien ist der Zusammenhang von Armut und Kinderarbeit offensichtlich. Das zentral gelegene südamerikanische Land gehört zu den ärmsten Ländern Südamerikas und weist zugleich eine hohe Zahl an arbeitenden Kindern auf. Die Organisation CONNAT`SOP setzt sich trotzdem für die Legalisierung von Kinderarbeit ein. Mitgründerin Luz Rivera betonte hierbei deutlich, dass der Wunsch der westlichen Hemisphäre, Kinderarbeit zu unterbinden nicht der bolivianischen Lebenswirklichkeit entspricht. Die Armut zwingt die Kinder und Familien zur Arbeit. Aus einer Perspektive, die sich mit solchen Fragen der Armut nicht beschäftigen muss, ist es schließlich leicht ein absolutes Kinderarbeitsverbot zu fordern. Deswegen liegt das Ziel der Organisation darin, den Kindern bei der Schulbildung zu helfen. Sie stellt Räume für 8000 Mitglieder bereit, in denen die Kinder Nachhilfe bekommen oder ihre Hausaufgaben machen können. Auch die Kommunikation mit der Familie des Kindes wird beachtet. 3) 4)
Der Westen sollte seine Forderungen hinterfragen
Das bolivianische Beispiel zeigt klar, wie idealistisch die westliche Forderung nach einem Verbot der Kinderarbeit ist. Ein reines Verbot beendet Kinderarbeit allerhöchstens auf dem Papier. Kurzfristige Maßnahmen werden die Situation jedoch generell nicht verbessern. Nur Bildung und die Bekämpfung der Armut sind in der Lage, dies zu tun. Die Kindergewerkschaften tragen – auf zugegebenermaßen paradoxe Weise- zur Bekämpfung der Kinderarbeit bei. Die finanzielle und ideologische Unterstützung dieser Gewerkschaften hätte eventuell mehr Wirkung als jedes Kinderarbeitsverbot der ILO.
- the guardian: UN’s ban on child labour is a ‘damaging mistake’; Artikel veröffentlicht am 18.12.2016↩
- SPIEGEL Politik: In Bolivien dürfen Kinder nicht mehr arbeiten – und das ist ein Problem; Artikel veröffentlicht am 21.10.2019↩
- taz: Die Kinder der „Casa NATS“; Artikel veröffentlicht am 04.09.2020↩↩
- taz: Klinkerkinder und Friedhofsjungen; Artikel veröffentlicht am 11.06.2020↩