Mit 15 Jahren hat Yi Yi angefangen, in einer Textilfabrik in Myanmar zu arbeiten, ihre beiden Freundinnen mit nur 14 Jahren. Ihre Familie war abhängig vom Einkommen ihrer Tochter, doch selbst dieses war mager: Umgerechnet ca. zwei Euro pro Tag bekam sie anfangs. Ausbeuterische Kinderarbeit ist in der myanmarischen Textilbranche weit verbreitet. Die Folgen für die vielen Kinder, die in Textilfabriken tätig sind, sind vielfältig: Arbeitsplätze, die oftmals auch als Wohnorte dienen, sowie Wunden an den Fingern und das Einatmen giftiger Dämpfe bei der Färbung von Textilien schädigen die Gesundheit der Kinder. Die Fabrik, in der Yi Yi arbeitet, fertigt unter anderem für Takko, einen deutschen Textilhändler. Auch für H&M und Primark wird in Myanmar produziert. 1) 2) 3) 4)
Zur weltweiten Bekämpfung von schädlicher Kinderarbeit hat das Kinderhilfswerk terre des hommes in ihrem Kinderarbeitsreport 2019 Forderungen und Empfehlungen veröffentlicht. In diesem betont die Organisation, wie wichtig es sei, die unterschiedlichen Formen von Kinderarbeit in ihren verschiedenen schädlichen Auswirkungen zu unterscheiden. Die Arbeit von Kindern ist nicht unbedingt verwerfliche Kinderarbeit. So müsse man bei deren Bekämpfung angemessene Prioritäten setzen. Das Ziel der UN, wie es in den Nachhaltigkeitszielen von 2015 festgelegt ist, bis 2025 Kinderarbeit komplett abzuschaffen, sei unrealistisch. Man muss die Anstrengung aller beteiligten Akteure wie Regierungen, internationalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen oder Wirtschaftsverbänden auf die Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit konzentrieren. Dazu zählen die UN beispielsweise moderne Sklaverei, Kindersoldaten oder Kinderprostitution. Gefördert werden müsse vor allem auch der Bereich der Bildung. Von der Bundesregierung wird verlangt, sich aktiv an diesem Prozess zu beteiligen, durch zum Beispiel eine stärkere Finanzierung der Globalen Bildungspartnerschaft (GPE). Auch soll sich Deutschland noch stärker um den Kampf gegen Fälle von ausbeuterischer Kinderarbeit oder Kinderhandel im eigenen Land bemühen. 5) 6)
Auch muss laut terre des hommes bei der Bekämpfung von Kinderarbeit die Mitsprache von betroffenen Kindern selbst auf allen Ebenen starke Beachtung finden. Deren Wohl solle an erster Stelle stehen. Damit getroffene Maßnahmen auch wirklich den gewünschten langfristigen Effekt erzielten, sei es wichtig, Kinder aktiv einzubinden, sie nach einer Einschätzung ihrer Situation und um mögliche Maßnahmen zu fragen. Worunter haben sie am meisten zu leiden? Welcher Schritt würde ihnen am meisten helfen? Arbeitende Kinder können diese Fragen selbst sehr gut beantworten. Keinem Kind sei beispielsweise geholfen, wenn es durch das Verbot seiner Arbeit noch immer nicht zur Schule gehen könne, dafür aber eine noch viel schlimmere Arbeit verrichten müsse.
Zudem sei darauf zu achten, dass man in der Bekämpfung von ausbeuterischer Kinderarbeit präzise Lösungen findet, die alle sozialen Umstände eines Kindes berücksichtigen. Auch hier ist wieder die Unterscheidung von nicht ausbeuterischer und ausbeuterischer Arbeit wichtig. Die finanzielle Entlastung einer Familie durch ein Kind, das neben der Schule eine ungefährliche Arbeit verrichtet, kann dem Kind den Schulbesuch vielleicht überhaupt erst ermöglichen. Wichtig wäre dann nicht Kinderarbeit generell zu verbieten, sondern das Kind gezielt zu fördern, sodass es eine gute Bildung erhält. Kinder aus ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen müssen ins Schulsystem eingegliedert werden. Es spielen also viele Faktoren eine Rolle, weswegen individuelle und umsichtige Maßnahmen gefragt sind. So vielseitig die Ursachen von Kinderarbeit sind, so vielseitig muss an Lösungen angesetzt werden: Alle beteiligten Akteure sollten ihre Mittel ausschöpfen, um die schlimmsten Formen von Kinderarbeit wirksam zu bekämpfen: auf internationaler, nationaler, lokaler, persönlicher und wirtschaftlicher Ebene. Zudem sollten alle diese Akteure, trotz möglicher unterschiedlicher Interessen, an diesem Ziel gemeinsam arbeiten. Starke und wirksame Kooperationen und Zusammenarbeit seien wichtig, um die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beenden.
Terre des hommes beschreibt zudem zehn bewährte Empfehlungen zur Beendigung ausbeuterischer Kinderarbeit. Dazu gehört zum Beispiel die weltweite Einführung der Schulpflicht. Auch müsse stärker auf die Aufklärung bezüglich der Schäden durch Kinderarbeit bei Familien, Kindern und Behörden wie der Polizei vor Ort gesetzt werden. So gelang es beispielsweise in Burkina Faso durch Informationen und Aufklärung lokaler Gemeinden, dass arbeitende Kinder in Goldminen gemeldet wurden und die Polizei gegen Kinderarbeit vorging. Entscheidend sei zudem, gute Alternativen für Kinder zu schaffen, wie leichte Arbeit und eine gute Schulbildung, ebenso wie lokale Strukturen im Kampf gegen die schlimmsten Formen von Kinderarbeit zu stärken. Außerdem müsse man rechtliche Mittel gegen illegal agierende Arbeitgeber voll ausnutzen und die Wirtschaft in ihrer Verantwortung bestärken. Bei aller Verantwortung, die Regierungen und Unternehmen in der Bekämpfung von ausbeuterischer Kinderarbeit zukommt, darf man allerdings nicht vergessen: Konsumenten auch in Deutschland tragen durch den Kauf von Produkten, die unter Kinderarbeit hergestellt worden sind, wesentlich zum Bestehen von ausbeuterischen Strukturen bei. Die Kosten billiger Preise tragen oft die Menschen in anderen Ländern. Sei es bei Kakao, Kaffee oder wie im eingangs erwähnten Beispiel Kleidung: Durch unser Konsumverhalten können auch wir ganz wesentlich zur Bekämpfung von globaler Kinderarbeit beitragen. Denn bessere Alternativen gibt es. 7)
- Spiegel.de: Textilindustrie in Burma: Studie wirft H&M Kinderarbeit vor; Stand 06.02.2017 ↩
- SOMO: The Myanmar Dilemma: Can the garment industry deliver decent jobs for workers in Myanmar?; Stand August 2017 ↩
- Stern: Otto-Konzern: Kinderarbeit für den Heine-Versand; Stand 11.02.2007 ↩
- Unicef: Kinderarbeit in Indien; Stand 01.07.2020 ↩
- Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft: Kinderarbeit – trotz Verbesserungen bleibt noch viel zu tun; Stand 08.06.2020 ↩
- Unicef: Kinderarbeit weltweit: Die sieben wichtigsten Fragen und Antworten; Stand 10.06.2020 ↩
- Terre des hommes: Ausbeutung jetzt beenden: Was arbeitenden Kindern wirklich hilft; Stand Juni 2019 ↩