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Legale Kinderarbeit in Bolivien: Warum nicht alles daran schlecht war

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

Bolivien: Kevin ist 10 und wünscht sich einen eigenen Fußball. Nach der Schule arbeitet er täglich auf dem Friedhof. Angehörige von Verstorbenen können ihn buchen und für 20 Bolivianos singt und betet der Junge vor den fremden Gräbern. Das ersehnte Spielzeug muss jedoch noch warten. Die umgerechnet zweieinhalb Euro müssen die teuren Behandlungen seiner kranken Mutter finanzieren.

Dem 15-jährigen Henry geht es ähnlich. Er arbeitet fünf Tage die Woche als Zigarettenverkäufer. Sein Revier sind die Clubs und Kneipen der Stadt. Kriminelle Banden machen seinen Alltag gefährlich. Kevin will irgendwann eine bedeutende Persönlichkeit sein. Mit eigener Firma, eigenem Haus und eigenem Auto. Er arbeitet um seine Familie zu unterstützen und besonders, um sich seine Träume erfüllen zu können.

Beide Jungen sind Mitglieder der bolivianischen Kindergewerkschaft. 2014 gelang es ihnen das Gesetz 548 durchzusetzen. Das Regelwerk erlaubte es Kindern ab zehn Jahren legal zu arbeiten. 2018 wurden die heftig kritisierten Passagen wieder kassiert. 1)

Kinder wie Kevin und Henry gibt es in Bolivien so viele, dass ihr Dasein seit jeher fester Bestandteil der Gesellschaft ist. Viele Familien sind schlichtweg darauf angewiesen, dass auch die Jüngsten zum Einkommen beitragen. Das südamerikanische Land ist das ärmste der Region. Mehr als 700.000 Kinder sind erwerbstätig. Manche von ihnen seit sie fünf Jahre alt sind. Um die Kinderarbeiter zu schützen, verabschiedete die bolivianische Regierung 2014 Gesetz 548 und band die Legalität der Arbeit an schützende Richtlinien. Einige Tätigkeiten, wie der Bergbau, waren ganz ausgeschlossen. Für andere Beschäftigungen waren die Erlaubnis der Eltern und des staatlichen „Kinderrechtsbüros“ nötig. Medizinische Untersuchungen waren verpflichtend und der Schulbesuch musste sichergestellt werden.

Das Konzept die Kinderarbeit zu legalisieren stieß weltweit vielen Organisationen bitter auf. Vor allem Unicef und die ILO waren entsetzt. Die Vereinten Nationen setzen sich dafür ein, dass Kinderarbeit bis 2025 komplett abgeschafft wird. Der laute Protest zwang die Regierung schließlich in die Knie. Auch die Umsetzung des Gesetzes wies Mängel auf. Vor allem in kleineren Städten und ländlichen Gemeinden wurde es nie wirklich durchgesetzt. Den Kinderrechtsbüros stand zu wenig Geld zur Verfügung, oft fehlten Mitarbeiter oder ausreichende Kenntnisse der Vorschriften. Wenige Dinge finden wir in unserem Breitengrad so verwerflich wie die Ausbeutung Minderjähriger und das natürlich auch zu Recht, aber im Falle Boliviens tut man sich mit dem Pauschalisieren schwer. Die Bolivianer sind immer noch genauso arm wie vor dem Beschluss. Für keines der Kinder hört die Arbeit mit der Abschaffung des Gesetzes auf. Was jedoch aufhört, ist die Garantie die Schule zu besuchen und sowohl gesundheitlichen als auch rechtlichen Schutz zu genießen. Sie werden wieder kriminalisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Viele Kinderrechtler sehen darin eine viel größere Gefahr als in dem Gesetzesentwurf.

Armut ist die häufigste Ursache für Kinderarbeit. Dem Teufelskreis aus Armut, mangelnder Schulbildung und Kinderarbeit zu entkommen, ist in vielen Regionen der Welt praktisch unmöglich. Dabei handelt es sich um eine gesellschaftliche Realität, die sich nicht leugnen lässt. Verbote ändern daran nichts. Und vor diesem Hintergrund war das Gesetz in Bolivien keine schlechte Idee, denn wo weite Teile der Bevölkerung auf den Ertrag der Kinder angewiesen sind, um zu überleben, ist die vollständige Abschaffung der Kinderarbeit utopisch. Das Gesetz gab den Kindern eine Stimme, hat sie anerkannt und versucht sie zu schützen. Das macht Kinderarbeit an sich nicht weniger unrecht, aber ist das im ersten Schritt nicht vielleicht weitaus realistischer, als davon auszugehen, man könnte die Kinderarbeit abschaffen, ohne die Ursache zu bekämpfen? Solange es die Armut gibt, wird es die Kinderarbeit geben. In Bolivien wird es noch dauern den Teufelskreis zu durchbrechen. Bis dahin sollte der Schutz der Kinder im Vordergrund stehen. 2)

  1. ARD Mediathek: Kinderarbeit Bolivien; Zuletzt aufgerufen am 20.04.2020
  2. Spiegel: In Bolivien dürfen Kinder nicht mehr arbeiten – und das ist ein Problem; Artikel vom 21.10.2019
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2 Gedanken zu „Legale Kinderarbeit in Bolivien: Warum nicht alles daran schlecht war“

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