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Übermäßiger Batterieverbrauch fördert Kinderarbeit im Kongo

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

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Der Bedarf an Energiespeicher wird in den nächsten zehn Jahren ungefähr um den Faktor 20 steigen. Grund dafür ist, neben dem hohen Konsum technischer Geräte, auch die aufstrebende Branche der Elektromobilität. Zudem steht immer mehr die Frage nach zukünftigen Speicherungsmöglichkeiten für erneuerbare Energien im Raum. 1)

Mit der Nachfrage nach Energiespeicherung wird in Zukunft auch der Verbrauch an Kobalt steigen, voraussichtlich von 110.000 Tonnen im Jahr 2017 auf  187.500 bis  225.360 Tonnen im Jahr 2026 weltweit. Rund 60 Prozent des Kobalts weltweit stammen ursprünglich aus dem Kongo. 2) Ohne die Förderung dort wäre die derzeitige Entwicklung im Bereich der Elektromobilität momentan nicht umzusetzen. Kobalt stellt, neben Lithium und Nickel, einen der wichtigsten Bestandteile in heutigen wiederaufladbaren Batterien dar.

Diese Lithium-Ionen-Akkus sind derzeit Grundlage technischer Geräte, welche uns täglich das Leben erleichtern, seien es Smartphones, Tablets, Notebooks oder im Bereich der Mobilität Elektroautos wie auch E-Bikes. Größte Hersteller dieser Batterien sind unter anderem Samsung und Panasonic. Ungefähr 90 Millionen Einheiten an Lithium-Ionen-Batterien werden jährlich auch nach Deutschland importiert, mehr als zwei Drittel kommt dabei aus den asiatischen Ländern China, Japan und Südkorea. Die Bundesregierung kann nicht ausschließen, dass kobalthaltige Exporte aus China auch den artisanal geförderten Rohstoff aus dem Kongo enthalten. 3)  Diese landen folglich auch in den Geräten der Verbraucher. Während der Endkundenabsatz von Smartphones global ununterbrochen ansteigt, sank er in Deutschland erstmals seit 2015 von 25,9 Millionen auf etwa 23 Millionen Geräte und stagniert seitdem dort. 4) Die Anzahl der Smartphone-Nutzer steigt jedoch auch hierzulande, allein von 2017 auf 2018 fand ein Wachstum um drei Millionen auf 57 Millionen statt. 5) Am intensivsten wird das Smartphone dabei von der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren genutzt. Ihre Zeit von 242 Minuten täglich übertrifft um langen den durchschnittlichen Konsum von 144 Minuten. 6)

Der Rohstoff Kobalt kommt nur auf sehr wenige Länder verteilt vor, die Demokratische Republik Kongo verfügt dabei über mehr als die Hälfte der weltweiten Reserven. Dementsprechend sind die Unternehmen auf die Gewinnung dort angewiesen. 7) Der Großteil der Minen ist in Besitz ausländischer Firmen, die größte, welche ca. 29 Prozent des Kobaltabbaus im Kongo ausmacht, gehört der Schweizer Firma Glencore plc. Von den insgesamt 14  größten Minen sind weitere acht in Hand chinesischer Staatsfirmen. 8)

Die Deutsche Rohstoffagentur unterscheidet dabei zwischen zwei Arten der Förderung: Der klassische Großtageabbau, in welchem industriell durch Maschinen gefördert wird, macht etwa 84 Prozent der Fördermenge aus. Daneben gibt es noch den Artisanal- bzw. Kleinbergbau mit 16 Prozent. In letzterem arbeiten etwa 200.000 Menschen, auch Kinderarbeit ist dort nicht selten. 9) Besonders in den engen, selbstgegrabenen Erdschächten können sie sich aufgrund ihrer kleinen Körpergröße besonders gut bewegen. Die provisorisch angelegten Minen sind dabei nicht gesichert, häufig kommt es durch herabfallende Gesteinsbrocken zu Todesfällen. Einstürze von Gruben drohen ebenso wie Erstickungsgefahr durch mangelhafte Bewetterung. Eigentlich ist im Kongo Kinderarbeit verboten, doch die Minenpolizei, welche vor allem die kleinen Minen jenseits der industriellen Förderung kontrollieren soll, ist meist bestechlich. Auch Hilfsorganisationen, die versuchen den Kindern zu helfen und Schul- oder Ausbildung zu ermöglichen, stoßen an ihre Grenzen. Die finanzielle Not zwingt Kinder meist solche Arbeiten zu verrichten, viele Familien sind auf den geringen Lohn von ca. 1,50 Euro pro Tag angewiesen. Aufgrund der vorherrschenden Alternativlosigkeit würde ein Verbot die einzige Einnahmequelle vernichten.  Auch auf staatliche Unterstützung können die Menschen nicht hoffen, die Demokratische Republik Kongo gilt als eines der korruptesten und ärmsten Länder der Welt. Fehlende poltische Stabilität und staatliches Gewaltmonopol führen zu einem Machtvakuum. In diesem nutzen rivalisierende Gruppen den Abbau zur Finanzierung und sorgen für weitere Unruhen. 10)

Besorgt um ihren Ruf versichern die meisten Autohersteller, sie würden ihr Kobalt nur von industriellen Minen beziehen, wo Maschinen anstatt Menschen nach den Rohstoffen graben. Doch auch die industrielle Förderung, meist ausländischer Unternehmen, ist nicht unproblematisch: Trinkwasservorräte werden durch Abwässer und Chemikalien verschmutzt, immer wieder kommt es um die knappen Wasserressourcen zu Konflikten zwischen der Industrie und den Anwohnern. 11)  Neben großen Belastungen für die Umwelt werden auch, mit Erlaubnis der Regierung, ganze Gebiete durch ausländische Firmen umgesiedelt, teils in Wüstenregionen ohne ausreichende Infrastruktur. BMW gab sogar bekannt, ab 2020/21 vollständig auf Kobalt, das aus dem Kongo stammt, zu verzichten. Jedoch ist es fraglich, ob die gesamte Kobaltnachfrage auf diese Weise gesichert werden kann. 12)

Mit anderen Lösungsansätzen befassen sich derweil australische Forscher. Sie arbeiten an Lithium-Schwefel-Akkus, welche ohne Kobalt auskommen. Probleme bereitet jedoch noch das schwankende Volumen durch das Auf- beziehungsweise Entladen. Damit zusammenhängend nimmt auch die Speicherkapazität nach einigen Ladezyklen deutlich ab. 13)

Der einzelne Verbraucher kann durch nachhaltiges Benutzen des Akkus dessen Lebenszeit verlängern und somit den Verbrauch wertvoller Ressourcen gering halten. Ein irreversibler Kapazitätsverlust droht bei Lithium-Ionen-Akkus, welche meist in Smartphones, Tablets und Notebooks verbaut sind. Dauerladungen der Geräte, auch nach vollständiger Ladung, sowie eine komplette Entladung sind Hauptgründer einer kurzen Lebensdauer. Zusätzlichen Einfluss nehmen zu hohe oder niedrige Temperaturen. Lithium-Ionen-Akkus altern zudem mit der Zeit unabhängig von jeglicher Benutzung. Eine durchschnittliche Lebendauer wird auf ungefähr fünf Jahre geschätzt. Durch Recycling alter Akkus und Batterien könne viele Metalle rückgewonnen und zur Wiederherstellung verwendet werden, darunter auch Kobalt. Lag der Anteil der verwertbaren Batterien im Jahr 2000 noch bei 33 Prozent ist er bis 2010 auf fast 100 Prozent gestiegen. 14)

Auch bei der Anschaffung neuer Geräte gibt es inzwischen Wahlmöglichkeiten. Hersteller wie Fairphone oder Shiftphone wollen die Nachfrage bewusster Käufer bedienen. Neben fairen Löhnen für die Fabrikarbeiter versuchen sie auch Rohstoffe sozial und ökologisch verträglich zu gewinnen. Zudem ist das Smartphone im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Geräten modular zusammengebaut. Defekte Einzelteile sind somit einfach auszutauschen, anstatt das komplette Gerät ersetzen zu müssen. 15)

Eine gesetzliche Lösung verfolgen derzeit Oppositionsparteien und NGOs in Form eines strengen Lieferkettengesetzes. Sie fordern eine Klagemöglichkeit für Betroffene aus Produktionsländern vor deutschen Gerichten, sollten die Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachweislich nachkommen. Auch einige Firmen unterstützen den Vorschlag, neben Rechtssicherheit erhoffen sie sich durch einheitliche Standards auch fairere Wettbewerbsbedingungen. Wirtschaftsverbände hingegen lehnen ein solches Gesetz ab. Es sei laut Chef der Bundesverband der Deutschen Industrie nicht praktikabel. 16)

  1. Süddeutsche Zeitung: Industrie arbeitet an Siegel für fair hergestellte Batterien; Artikel vom 15.02.20
  2. BR.de: Faktenfuchs Kobalt-Nachfrage steigt wegen der E-Mobilität; Artikel vom 17.11.20
  3. Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung – Auswirkungen des Abbaus von Rohstoffen für die E-Mobilität; Drucksache 19/11686 vom 15.07.19
  4. Statista: Rohstoff für Schlüsseltechnologien; Statistadossier on 2019
  5. Statista: Anzahl der Smartphonenutzer in Deutschland in den Jahren 2009 bis 2018; Statistik von 2019
  6. Statista: Durchschnittliche tägliche Nutzungdauer von Smartphones in Deutschland im Jahr 2015 nach Altersgruppen; Statistik vom 11.09.15
  7. Statista: Rohstoffe für Schlüsseltechnologien; Statistadossier von 2019
  8. Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung – Kobaltabbau in der Demokratischen Republik Kongo und die Rolle der Volksrepublik China; Drucksache 19/13602 vom 26.09.19
  9. Deutsche Rohstoffagentur: Rohstoff Kobalt; Artikel
  10. Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung – Kobaltabbau in der Demokratischen Republik Kongo und die Rolle der Volksrepublik China; Drucksache 19/13602 vom 26.09.19
  11. Deutscher Bundestag: Antwort der bundesregierung – Auswirkungen des Abbaus von Rohstoffen für die E-Mobilität; Drucksache 19/11686 vom 15.07.19
  12. dw: Kobalt aus dem Kongo: der Makel der E-Mobilität; Artikel vom 02.07.19
  13. Spiegel: Dieser Hochleistungsakku kommt ohne Kobalt aus; Artikel vom 09.01.20
  14. Umweltbundesamt: Batterien und Akkus; Ratgeber von Oktober 2012
  15. taz: Öko-faires Smartphone: Raus aus der Nische; Artikel vom 18.11.19
  16. Der Tagesspiegel: Opposition befürchtet zu lasches Lieferkettengesetz; Artikel vom 15.01.20



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