Zum Inhalt springen

Kinder in der Türkei arbeiten für unsere Schuhe

Während sich Mütter um ihre Babys kümmern, müssen die älteren Kinder in der Türkei in Schuhfabriken arbeiten, um ihre Familie finanziell zu unterstützen |  Bild: Orange the world - Turkey - Gaziantep © Fatma Elzehra Muhaimid [CC BY-NC 2.0]  - flickr

Während sich Mütter um ihre Babys kümmern, müssen die älteren Kinder in der Türkei in Schuhfabriken arbeiten, um ihre Familie finanziell zu unterstützen | Bild: Orange the world - Turkey - Gaziantep © Fatma Elzehra Muhaimid [CC BY-NC 2.0] - flickr

In einem Bericht der Kinderrechtskommission der Amed-Sektion des Menschenrechtsvereins IHD wird erneut deutlich, wie schlecht es um die Rechte der Kinder in der Türkei steht. Die schutzbedürftigste Gruppe leidet permanent unter Gewalt, sexuellem Missbrauch, Kinderarbeit, Kinderheirat oder den Folgen eines unzureichenden Bildungssystems. Obwohl Recep Tayyip Erdoğan die Bekämpfung der Kinderarbeit in seinem Land versprach und das Arbeiten erst ab 15 Jahren erlaubt ist, finden weiterhin Verstöße gegen diese Regeln statt. So sind viele Minderjährige gezwungen, etliche Stunden am Tag unter anderem in Schuhfabriken zu verbringen, um für große Firmen Lederschuhe zu produzieren. Während Kinderarbeit mittlerweile bei der Herstellung von Schuhen in Ländern wie Indien und China größtenteils bekannt ist, stand die Türkei bisher kaum im Fokus von Beobachtungen. Dabei sind die Staaten der Europäischen Union – darunter vor allem Deutschland – die größten Abnehmer von Schuhen aus der Türkei und somit auch aus Kinderhänden. 1) 2)

Aufgrund von großer Armut können die Väter die Familie meist nicht allein ernähren und die Mütter sind gezwungen, bei ihren jüngeren Kindern zu Hause zu bleiben. Deshalb müssen die etwas älteren Kinder den Haushalt finanziell unterstützen. Nach der Schule wird nur kurz etwas gegessen und danach geht es um 12 Uhr mittags bis elf Uhr in die Schuhfabrik. Dort schneiden die Kinder Muster, tragen schwere Säcke gefüllt mit Stoffen und kleben das Material. Von Montag bis Samstag müssen sie für einen Wochenlohn von 20 bis 30 Euro hart arbeiten. 3)

Nach einem derart langen Tag sind sie komplett ermüdet und nicht mehr in der Lage, ihre Hausaufgaben zu erledigen. Fast immer leiden die schulischen Leistungen unter der Arbeit. Der zwölfjährige Junge Ferhat träumte einst davon, ein Computeringenieur zu werden – mittlerweile weiß er, dass er kaum Zukunftsaussichten hat, da sich der einstige Topschüler nicht mehr auf seine Bildung konzentrieren kann. 3)

Zudem sind die Kinder auch gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Der verwendete Kleber, der meist direkt mit dem Finger aufgetragen wird, gilt als höchst entflammbar und giftig. Ferhat erzählt, dass er sich anfangs von dem Geruch übergeben hat, sich aber daran gewöhnen musste. Ältere Mitarbeiter beschweren sich über Kopfschmerzen und Atembeschwerden und warnen vor zukünftiger Lähmung. Immer wieder finden Landesuntersuchungsämter giftige Substanzen in Schuhen – Substanzen, mit welchen die Kinder der Herstellungsländer in täglichem Kontakt stehen. Die in der Lederproduktion verwendeten Chemikalien können darüber hinaus Milzbrand, Typhus, Augenerkrankungen oder rheumatische Arthritis verursachen. 3) 4)

Der Einsatz von Kindern in Schuhfabriken steigt nun auch mit den aus Syrien Geflüchteten. Rund 54 Prozent der syrischen Flüchtlinge in der Türkei sind unter 17 Jahre alt. Um die Familie zu unterstützen, arbeiten sie unter katastrophalen Bedingungen in allen Branchen des türkischen Arbeitsmarktes. Dabei  werden sie sowohl finanziell als auch sexuell ausgebeutet. 5)

Deutschland importiert heute mehr Bekleidung, als es exportiert. Viele Schuhe stammen unter anderem aus der Türkei, wo meist Kinder an der Herstellung beteiligt sind und ihre Zukunft und Gesundheit riskieren. Dennoch verdienen sie einen derart geringen Lohn, nur damit die Produkte billig weiterverkauft werden können. Der Endverbraucher erhält die Ware so günstig wie möglich, während Familien in der Türkei sich nur mit Müh und Not und der Hilfe ihrer Kinder über Wasser halten können. Europäische Schutzunternehmen sollten daher die Lage der Kinderrechtsverletzungen in türkischen Schuhfabriken besser beobachten und darüber öffentlich berichten, um diese zu verhindern. Auch der Verbraucher sollte beim nächsten Kauf auf Initiativen wie beispielsweise No Sweat und Veja, die unter faieren Bedingungen produzieren, achten. 4)

  1. ANF News: IHD: AKP-Regime fördert Rechtsverletzungen an Minderjährigen – Artikel vom 20.02.2019
  2. INKOTA Netzwerk: Leder- und Schuhproduktion in der Türkei: Report der Kampagne Change Your Shoes prangert Missstände an – Artikel vom 06.06.2017
  3. GEW: Doku „Schuhe statt Schule“ mit Begleitmaterial für den Unterricht – Beitrag vom 11.12.2017
  4. Netzfrauen: Leiden für neue Schuh-Trends – krank durch Chemikalien, Kinderarbeit, Ausbeutung – nach Bangladesch jetzt Äthiopien! – Artikel vom 08.02.2017
  5. Euronews: Kinderarbeit, Misshandlung, Ausbeutung – syrische Flüchtlingskinder in der Türkei – Artikel vom 15.07.2016



Umfrage
Was bewirkt unsere Arbeit?
Um zu erfahren, was unsere Kampagne "Aktiv gegen Kinderarbeit" bewirkt, bitten wir dich um Antwort auf zwei kurze Fragen:

Hast du hier Neues erfahren?

Willst du möglichst nur noch Produkte ohne ausbeuterische Kinderarbeit kaufen?

Anregungen, Kritik oder sonstige Anmerkungen:




Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.