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Kinder in asiatischen Steinbrüchen arbeiten für unsere Grabsteine

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

Zwei Drittel der Grabsteine und Einfassungen in Deutschland stammen aus Indien, 150.000 Kinder arbeiten in den Steinbrüchen vor Ort. Bereits im Jahr 2000 hat die ILO eine Konvention zur Bekämpfung dieser, einer der schlimmsten Formen von Kinderarbeit, angenommen.  Erst jetzt, 18 Jahre später, sind Fortschritte in den deutschen Bundesländern zu erkennen. 1)

Ein Gutachten von Prof. Dr. Walter Eberlei der Hochschule Düsseldorf belegt, dass Kinder in Steinbrüchen in Indien, Vietnam und den Philippinen arbeiten müssen. Auch ihre Arbeit an Steinen in China kann nicht ausgeschlossen werden. All diese Länder gehören zu den Hauptlieferanten von Naturstein nach Deutschland – ein Material, welches hier häufig zu Grabsteinen verarbeitet wird. Kinderarbeit in der Natursteinindustrie ist ausbeuterisch, gesundheitsschädigend und lebensgefährlich; sie wird schon seit vielen Jahren von den Vereinten Nationen besonders geächtet. 2)

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen verbietet nun per Kabinettsbeschluss vom 04.09.2018 die Aufstellung von Grabsteinen, bei denen Kinderarbeit in der Herstellung nicht ausgeschlossen werden kann. Steine aus den oben genannten Ländern müssen in Zukunft erst explizit als kinderarbeitsfrei zertifiziert werden, bevor sie in NRW platziert werden dürfen. Damit folgt das im Westen gelegene Bundesland Beispielen wie Bayern und Baden-Württemberg, in denen bereits ähnliche Gesetze Anwendung finden. Sobald hier Steine verwendet werden, die von außerhalb der Europäischen Union stammen, muss ein Zertifikat vorgelegt werden, das beweist, dass der betreffende Betrieb überprüft wurde und keine Kinderarbeit vorliegt. Beispiele für Vereine, die solche Zertifizierungen für Betriebe in Indien oder China nach Überprüfung ausstellen, sind Xertifix oder Fair Stone.  Auch Nordrhein-Westfalen hatte diese Art der Zertifizierung bereits 2014 eingeführt. Allerdings wurde diese Pflicht per Runderlass des  nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums 2015 wieder ausgesetzt, da die konkrete Umsetzung noch zu regeln sei. Erst jetzt,  vier Jahre später, wird wieder daran gearbeitet. Hier wird deutlich, wie stark die Lobby in diesem Bereich ist. Laut Eberlei, dem Autor des oben genannten Gutachtens, habe es in den vergangenen Jahren zahlreiche Versuche von Naturstein-Importeuren gegeben, allzu strenge Regeln abzuwenden. Beispielsweise habe ein großer Import-Export-Verband versucht, ein eigenes Zertifikat zu etablieren. Dabei hat er den Steinbrüchen in den betroffenen Ländern seine Kontrollbesuche allerdings vorher angekündigt, sodass natürlich keine Spuren von Kinderarbeit mehr sichtbar waren. Der Professor der Hochschule Düsseldorf empfiehlt, sich auf die seriösen Anbieter von Zertifikaten wie Fair Stone und Xertifix zu konzentrieren. Auch Natursteine aus Ländern wie der Türkei, Brasilien oder Südafrika seien in der Regel unbedenklich. Es bleibt zu hoffen, dass mit dem neuen Kabinettsbeschluss nun auch in Nordrhein-Westfalen der Fokus von bloßen Preisfragen und Verbandsinteressen auf die humanitäre Seite des Geschäfts gelenkt wird. 2) 3) 4)

Ebenso wird in Hessen an einem neuen Gesetz gearbeitet, das verhindern soll, dass Steine aus Steinbrüchen mit Kinderarbeit importiert werden können. Hier stammt fast jeder zweite Grabstein aus Indien. Doch auch in diesem Bundesland ist die Beunruhigung auf Verbandsseite groß. Landesinnungsmeister Karl-Heinz Damm des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks in Hessen geht sogar so weit zu sagen: „Es bedeutet mehr Kosten, Schriftverkehr und Bürokratieaufwand wegen etwas, das sowieso nicht stattfindet: Es gibt keine Kinderarbeit an Grabsteinen.“ Aussagen wie diese, die bewiesenermaßen falsch sind, sind besonders fatal. Es ist dringend nötig, gesetzliche Grundlagen und Überprüfungsmechanismen zu schaffen, die wirksam verhindern, dass Grabsteine in Deutschland von Kindern (mit) hergestellt werden. 3)

Offiziell gibt es in Indien 4,3 Millionen Kinderarbeiter. Die Dunkelziffer dürfte aber nicht nur laut Aktivisten noch viel höher sein. Das Land besitzt die größten Vorkommen an Naturstein weltweit, auch Granit für Grabsteine kommt hauptsächlich aus dem Süden des Landes. Insgesamt werden 50.000 Tonnen Granit direkt nach Deutschland exportiert. Benjamin Pütter, Berater für die Bereiche Kinderrechte und Kinderarbeit beim Kindermissionswerk „Die Sternsinger“, reist seit 1980 regelmäßig nach Indien. Das größte Problem seiner Meinung nach ist, dass es zwar Kontrollen der Betriebe gibt, diese aber eben oft vorher angekündigt werden. So stellte er fest, dass er selbst bei angekündigten Kontrollen nie Kinder vorgefunden hat, bei unangekündigten Besuchen jedoch in jedem einzigen Fall. Das zeigt, wie notwendig die Gesetzentwürfe und damit verbundenen Zertifikate im Allgemeinen sind, aber auch wie wichtig speziell seriöse Bescheinigungen sind. Die Kinder müssen jeden Tag in der prallen Sonne bei bis zu 45 Grad mit großen, schweren Hämmern Steine klein schlagen. Teilweise arbeiten sie an bis zu 45 Kilogramm schweren Schlagbohrmaschinen. Arbeitsschutz wird nur selten thematisiert. Die Kinder arbeiten barfuß, ohne Schutzmaske, Ohrenstöpsel oder Helm. Nicht nur ihre körperliche Entwicklung leidet darunter, immer wieder kommt es zu furchtbaren Unfällen, die Minderjährigen verlieren Finger. Am verheerendsten sind jedoch die schweren Gesundheitsschäden, die die Kinder auf Dauer davon tragen müssen. Sie werden taub und erkranken durch den Staub, der beim Zerhacken und Zermahlen des Staubes entsteht, an Steintaublunge. Die Lebenserwartung variiert je nach Beginn ihrer Arbeit im Steinbruch zwischen nur 30 und 40 Jahren. 5)

Nordrhein-Westfalen und Hessen sind also gerade dabei, an der effektiven Umsetzung ihrer Gesetze zu arbeiten. In Bayern, Baden-Württemberg, Bremen und dem Saarland gelten bereits Vorschriften, doch auch hier muss die rechtssichere Umsetzung noch gewährleistet werden. Niedersachen novelliert gerade sein Friedhofs- und Bestattungsgesetz. 6)

Diese verschiedenen Entwicklungen zeigen, dass es ein langer Prozess ist, bis jeder Betrieb in jedem Bundesland dazu verpflichtet sein wird, seine Steine für die Grabsteinproduktion nicht mehr aus Kinderarbeit zu beziehen. Für die Zukunft ist es wünschenswert, eine einheitliche, funktionierende Herangehensweise auf Bundesebene zu etablieren.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. SVZ: Die Krux mit den fairen Grabsteinen; Artikel vom 21.08.2018
  2. Informationsdienst Wissenschaft: NRW-Landesregierung folgt HSD-Gutachten: Grabsteine aus Kinderarbeit verboten; Artikel vom 05.09.2018
  3. Hessenschau: Wie viel Kinderarbeit steckt im Grabstein?; Artikel vom 30.03.2018
  4. WDR: NRW geht gegen Grabsteine aus Kinderarbeit vor; nicht mehr verfügbar
  5. Der Tagesspiegel: Alltag in Indien – Steinbruch statt Schule; Artikel vom 12.06.2017
  6. Stein Magazin: Auch Hessen und NRW verbieten Grabsteine aus Kinderarbeit; Artikel vom 06.09.2018



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