Der weltweit größte Zementhersteller LafargeHolcim lässt vermutlich Kinder für sich arbeiten.
„Es gibt dort viel Staub. Du atmest ihn den ganzen Tag ein. Ich habe Probleme zu atmen. Wenn ich huste, brennt es.“
Vincent (17) arbeitet bereits seit fünf Jahren jeden Tag in der Mine des Dorfes Harugongo, im Westen Ugandas.
Es ist eine der Hunderten von Minen rund um die Stadt Fort Portal, in welchen Puzzolan abgebaut wird.
Bei Puzzolan handelt es sich um ein leichtes, kieselartiges Mineral. Es entsteht durch Vulkanerruptionen und erlaubt in Kombination mit Zementklinker (Kalk und Lehm) die Produktion von günstigem Zement in großen Mengen.
Laut Ronald, dem Manager einer jener Minen, wird das Puzzolan hauptsächlich an Hima geliefert, einem Zementhersteller, der seit 1999 zur weltweiten Nummer eins der Branche – LafargeHolcim – gehört.
30 000 Tonnen Puzzolan benötigt Hima jeden Monat, die Hälfte davon wird in den Minen rund um Fort Portal abgebaut.
Laut Vincent arbeiten hier sogar elfjährige Kinder. Auch Erwachsene sind in den Minen tätig. Während diese jedoch Maschinen oder gar den Bagger bedienen, arbeiten die Kinder mit Meißel und Hammer, sogar mit der Hand – ohne Schutzkleidung.
Der Zementriese „LafargeHolcim“ entstand im Juli 2015 durch die Fusion des französischen Unternehmens Lafarge mit der Schweizer Firma Holcim. Er beschäftigt 115 000 Personen aus 90 Ländern, der Umsatz beläuft sich auf nahezu 30 Milliarden Euro.
Vor der Fusion engagierte sich Lafarge gegen Kinderarbeit, unterschrieb sogar zusammen mit weiteren internationalen Industriegewerkschaften eine „Globale Vereinbarung über die soziale Unternehmensverantwortung und internationale Arbeitsbeziehungen“.
Darin verpflichtet sich das Unternehmen, Kinderarbeit in jeglicher Form zu untersagen, betreffend sämtliche Aktivitäten der Firma sowie deren Tochterfirmen. Demnach auch in Bezug auf Hima.
LafargeHolcim und Hima behaupten jedoch, Kinderarbeit ausschließen zu können. Der Umgang mit ethischen Fragen sowie den Rechten des Einzelnen seien von sämtlichen Zulieferern schriftlich fixiert.
Zudem versichert die Firma, die Zahl ihrer Zulieferer reduziert zu haben – um ganze fünf für das Zementwerk Hima in Uganda, deren Identität LafargeHolcim nicht bekanntgab.
Darüber hinaus werde der Abbau hauptsächlich maschinell betrieben, die Firma nur von Lieferanten versorgt, welche eine gültige Abbaugenehmigung besitzen, von der Regierung autorisiert sind und das Arbeitsrecht Ugandas respektieren.
Vincent beklagt sich über Husten, Schwindelgefühle und Schmerzen in der Lunge.
Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass laut Anwohnern die Luftverschmutzung durch den Staub des Puzzolans an manchen Tagen so stark sei, dass man keine fünf Meter weit sehen könne.
Derselbe Staub, den Vincent seit fünf Jahren Tag für Tag einatmet.
Ronald, der „Minenmanager“ gibt zu, nicht zu wissen, wie viele Menschen in seinem Steinbruch arbeiten. „Ich führe keine Vorstellungsgespräche. Alle, die arbeiten wollen, dürfen kommen.“ Demnach auch Kinder.
Laut Gerald Kankya, örtlicher Whistleblower und Leiter des ONG Twerwaneho Listeners Club, sei es vielen Kindern wichtiger, in der Mine zu arbeiten und dadurch ihre Eltern zu unterstützen, als zur Schule zu gehen.
Für ihre Arbeit erhalten die Kinder bestenfalls 7000 bis 8000 ugandische Schilling pro Stunde, das sind etwas mehr als zwei Euro. Ronald erhält 30 Prozent der Vermittlungsgebühr seiner Lieferungen Puzzolan.
Christoph hat viele Wunden an den Füßen von seiner Arbeit in Harugongo. „Ich arbeite jetzt drei Jahre in der Mine. Es ist gefährlich, aber ich habe nichts anderes, was ich machen kann. Ich arbeite oft barfuß.“ Er sagt, er sei 16 Jahre alt, wirkt jedoch drei bis vier Jahre jünger.
Obwohl Uganda Unterzeichner der meisten internationalen Übereinkommen zu Kinderrechten ist, arbeitet dort laut einer Studie des US-Department of Labor von 2014 knapp ein Drittel aller Kinder zwischen 5 und 14 Jahren.
Aufgrund von Infrastruktur-Projekten der Regierung wird im Osten Afrikas zunehmend mehr Zement benötigt und damit auch eine größere Menge Puzzolan. 2010 investierte Hima 120 Millionen Dollar (106 Millionen Euro), um die Produktion von 350 000 auf 800 000 Tonnen Zement pro Jahr zu steigern.
Hima ist nicht der Eigentümer all jener Minen und gibt an, nicht die direkte Kontrolle über diese zu haben. Seit 2014 habe die Firma eine Erlaubnis zur Überprüfung des Puzzolan-Abbaus, Kontrolle über die Minen würde Hima jedoch erst durch eine Betriebserlaubnis bekommen, um welche sich das Unternehmen gegenwärtig bewirbt.
„Permis d’exploitation“ nennt sich diese Erlaubnis auf Französisch – „exploitation“ bezeichnet neben „Betrieb“ auch „Ausbeutung“.
Während sich die großen Unternehmen von Macht geschützt hinter ihren Zulieferern verstecken, belädt Vincent mit den anderen Kindern jeden Abend die Lastwagen im Steinbruch.
Quelle: 1)
Ich habe diesen Artikel in meinem Blog zitiert und durch eigene Fotos und Erfahrungen ergänzt – siehe:
http://blog.worldcoffee.info/?p=13805