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H&M: Konflikt-Baumwolle vermeiden – Importstopp aus Turkmenistan und Syrien

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

Der schwedische Modekonzern H&M stand in letzter Zeit immer wieder in der Kritik, unter Kinderarbeit und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen zu produzieren. Besonders nach dem Fabrikeinsturz von Rana Plaza in Bangladesch 2013, bei dem 1100 Menschen starben, rückten die Arbeitsbedingungen in der Textilherstellung in den Fokus der Öffentlichkeit. 1)  Während H&M angab, keine Textilien aus der Fabrik bezogen zu haben, reagierte der Konzern auf die öffentliche Empörung: Spenden an Opfer wurden getätigt und die Sicherheitskontrollen in den Fabriken wurden verstärkt. 2)  Seit 2013 stoppte H&M den Import von Baumwolle aus Usbekistan, da von dort anhaltend über Kinder- und Zwangsarbeit bei der Baumwollernte berichtet wurde. Seit Dezember 2015 verhängt das Unternehmen nun einen ähnlichen Importstopp von Baumwolle aus Turkmenistan und Syrien. 3) Der Importstopp von Baumwolle aus Syrien hängt sehr wahrscheinlich auch mit der Besorgnis zusammen, dass der IS von dem Handel mit Baumwolle profitiert.

Turkmenistan entwickelt sich derzeit zu einem internationalen Produktionsstandort für Bekleidung. 4)  Dafür werden die Bürger von der Regierung gezwungen, eine jährliche Quote an Baumwolle zu liefern. Um diese zu erreichen, müssen tausende Kinder arbeiten – unter extremen Bedingungen. Die Arbeitszeiten sind lang und die Arbeit extrem anstrengend, außerdem gehen viele Kinder während der Erntezeit nicht zur Schule – über drei Monate. Die Bezahlung ist gering oder fällt ganz aus, das Arbeitsverhältnis gleicht einer Versklavung. Aus dem zentralasiatischen Staat werden wiederholt Vorwürfe zu Menschenrechtsverletzungen und massiver Repression laut. 5)  Diese Entwicklungen sind ähnlich wie im Nachbarland Usbekistan, dessen Baumwolle nach öffentlicher Empörung über den Gebrauch von Kinderarbeit von vielen großen Textilfirmen boykottiert wurde.

Der Importstopp aus Syrien ergibt sich wahrscheinlich aus einem anderen Grund: Baumwolle ist historisch eines der Hauptexportgüter Syriens. Beispielsweise die Türkei bezieht einen Großteil der Baumwolle, die für die Textilherstellung notwendig ist, aus Syrien. Inzwischen kontrolliert der IS 75 Prozent der Baumwollproduktion in Syrien. 6)  So finanziert die Terrororganisation ihr ‚Staatswesen‘ unter anderem mit dem Export für alltägliche Konsumgüter hierzulande. Die Lieferungen werden wahrscheinlich über die Türkei abgewickelt. Obwohl diese auf Rohbaumwolllieferungen aus den syrischen Konfliktgebieten verzichten will, ist es durch die komplexen Lieferketten sehr wahrscheinlich, dass die Konfliktbaumwolle auf dem internationalen Markt landet. 7)

Durch den Export von Baumwolle, der durch die bereits bestehenden Handelsbeziehungen und Abnehmer begünstigt wird, ergeben sich hohe Profite für die Terrororganisation. Vor der Bedrohung durch den IS müssen tausende Menschen fliehen. Es ist naheliegend, dass die Modekonzerne nicht zur Finanzierung der Terrororganisation beitragen wollen. 8)

Auch aus der Türkei gibt es Meldungen über bedenkliche Zustände: Viele syrische Flüchtlingskinder werden in die Arbeit gezwungen, weil ihre Eltern keine Arbeitserlaubnis erhalten und so der Lebensunterhalt gefährdet ist. H&M bezieht Textilien aus der Türkei, hat die Vorwürfe zur Kenntnis genommen und entsprechende Schritte eingeleitet. 9) Andere Bekleidungsunternehmen wie Hugo Boss und S. Oliver hielten sich zu den Vorwürfen bislang bedeckt. 10)

Die Maßnahmen des Importstopps von Baumwolle aus Syrien und Turkmenistan zeugen einerseits von der Einflussnahme der öffentlichen Aufmerksamkeit auf Missstände in der Textilindustrie und die Macht des Konsumentenverhaltens. Allerdings ist fraglich, ob ein Boykott die beste Lösung ist. Wie oft in der Vergangenheit geschehen, erscheint das Abziehen eines Unternehmens in ein weiteres billiges Land, auf das die öffentliche Aufmerksamkeit noch nicht gelenkt wurde, höchst zynisch. Langfristig ändert dies nichts an den unfairen Arbeitsbedingungen und dem Kreislauf von Armut, Kinderarbeit und Perspektivlosigkeit. 1)

  1. Süddeutsche Zeitung: Nach jeder Katastrophe das gleiche zynische Spiel – Stand 29.02.2016
  2. H&M: Choose and reward responsible partners – Our Conscious Actions; aufgerufen am 27.02.2018
  3. H&M: Ban on Cotton from Turkmenistan and Syria – Stand 29.02.2016
  4. Fashion United: H&M verbietet Gebrauch von Baumwolle aus Turkmenistan und Syrien – Stand 29.02.2016
  5. Cotton Campaign: Turkmenistan’s Forced Labor Problem – Stand 29.02.2016
  6. Le Point International: Du coton „made in Daesh“ dans nos vetements? – Stand 29.02.2016
  7. Tribune de Genève: Ce coton qui finance l’Etat islamique – Stand 29.02.2016
  8. Fashion United: „Conflict Cotton“ aus Syrien beunruhigt Modehäuser und Baumwollproduzenten – Stand 29.02.2016
  9. taz: In türkischen Textilfirmen ausgebeutet – Stand 29.02.2016
  10. Textilwirtschaft: Türkei: Flüchtlingskind illegal beschäftigt – Stand 29.02.2016



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