Gemäß Unicef müssen in Indien ca. 28 Millionen Kinder arbeiten, Kinder im Alter zwischen fünf und 14 Jahren. Experten bzw. Aktivisten fürchten nun, dass diese Zahl sogar noch weiter ansteigen könnte.
Nachdem die indische Regierung vor knapp einem Monat die Gesetze bezüglich gefährlicher Arbeiten von Kindern verschärfte, lockerte sie gleichzeitig ihren sogenannten Child Labour Prohibition Act hinsichtlich der Beschäftigung von Kindern in „Familienbetrieben“: Fortan dürfen Kinder unter 14 Jahren, insbesondere nach dem Unterricht bzw. in den Schulferien, einer Arbeit in derartigen Betrieben nachgehen.
Eine Arbeit im Familienbetrieb könnte die unterschiedlichsten Formen annehmen. Kinder könnten dazu eingesetzt werden, schwere Arbeit auf Feldern zu verrichten, Teppiche zu knüpfen oder bei der Herstellung von Streichholzschachteln mitzuwirken – um nur ein paar mögliche Tätigkeiten zu nennen.
Eines der größten Probleme in der Gesetzesänderung liegt laut Aktivisten in der vagen Definition eines „Familienbetriebs“ bzw. „Familienunternehmens“. „All unsere Bemühungen zur Bekämpfung der Kinderarbeit, angefangen in den 1980er Jahren, werden sich in Rauch auflösen…“, so Shamshad Khan, Leiter der indischen NGO CREDA. „Schulen werden plötzlich leer sein und Kinder aus ärmlichen Verhältnissen werden wieder in Schuppen und Behelfsfabriken schuften, die alle unter die Bezeichnung „Familienbetrieb“ fallen“.
In dieser Kritik offenbart sich noch eine weitere Schwachstelle in Indiens Bemühungen, der Kinderarbeit im Land entgegenzuwirken: das indische Schulsystem.
Unabhängig von der Tatsache, dass nach der Gesetzesänderung vor allem ärmere Kinder wieder die Arbeit dem Schulbesuch vorziehen werden, waren die Anreize am Unterricht teilzunehmen niemals besonders groß. Überfüllte Klassenzimmer, schlecht ausgebildete Lehrer und viel zu weit entfernte Schulen machen es indischen Kindern nicht gerade leicht, den Teufelskreis aus Armut und Kinderarbeit zu durchbrechen.
Obwohl die Anzahl arbeitender Kinder seit 2001 stetig zurückgegangen ist, kritisiert die Internationale Organisation für Arbeit die Fortschritte des Subkontinents. Indien halte nicht mit, mit dem weltweiten Rückgang der Kinderarbeit, so heißt es in einem kürzlichen Statement der ILO. Kindern müsse unbedingt der Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung erleichtert werden. Insbesondere solle es kostenlose Schulbildung und eine Schulpflicht für alle Kinder des Landes geben, wenigstens bis zum Erreichen des Mindestarbeitsalters. Zusätzlich müsse Kindern die Chance geboten werden, ihre Schulbildung nachzuholen, falls sie für einen gewissen Zeitraum gezwungen waren zu arbeiten, anstatt den Unterricht zu besuchen.
„Das Fortbestehen von Kinderarbeit in einem Land ist nach wie vor ein riesiges Hindernis für Bildung und Entwicklung. Falls das Problem der Kinderarbeit von Regierungsseite ignoriert wird, oder wenn aktuelle Gesetze gegen Kinderarbeit nur unzureichend durchgesetzt bzw. eingehalten werden, werden Kinder weiter arbeiten, statt die Schule zu besuchen.“ – ILO – United against child labour
Huffington Post: India Legalizes Child Labor Amid Skyrocketing Rates, Activists Fight Back – aufgerufen am 23.6.15