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In jedem steckt ein Held, der erweckt werden möchte

Ute Craemer ist überzeugt, „dass in jedem, sei er auch in Lumpen, oder wirklich selbst ein Lump, ein Held steckt, der erweckt werden möchte“. Dieser unerschütterliche Glaube an das gute im Menschen muss es sein, der sie antreibt. In der Zeit, in der die deutsche Waldorfpädagogin an der großen Rudolf-Steiner-Schule in São Paulo unterrichtete, sammelte sie ganz eigene Erfahrungen über das, was die Menschen in den armen Bezirken der größten Stadt Brasiliens eint und was sie auseinandertreibt. Bittere Armut, Kriminalität, der seit den 80er Jahren zunehmend Drogenkonsum und die damit verbundene Gewalt prägten das Stadtbild der größten Metropole Brasiliens.

Ständig suchte Craemer das Gespräch mit den einfachen Menschen in den Favelas im Süden der Stadt. Und als Konsequenz aus ihren Erfahrungen gründete sie 1979 die Organisation Associação Comunitária Monte Azul 1). Hier nimmt man sich der Nöte der Menschen an, ist Auffangbecken für abtrünnige Kriminelle, Straßenkinder und medizinisch Behandlungsbedürftige. Seit wenigen Jahren gibt es neben einem Kindergarten sogar eine eigene kleine Waldorfschule mit einer Ganztagsbetreuung der Kinder von der ersten bis zur fünften Klasse. Über 1.200 Kinder der Favelas profitieren so täglich von den durch die Organisation angebotenen Bildungsangeboten und Workshops im kreativen Bereich.

Eine großer Teil der Arbeit wird durch ehrenamtliche Mitarbeiter getragen. Ärzte behandeln einmal die Woche kostenlos Patienten in gemeinnützigen Praxen. Praktikanten aus Brasilien, aber auch Waldorf-Sympathisanten aus der ganzen Welt, kommen nach Sao Paulo, um Erfahrungen für ihre eigene soziale oder Bildungsarbeit zu sammeln. Craemers pädagogische Ideen reichen dabei über das Waldorf-Konzept hinaus. Ihr Ziel ist eine Integration sozialpädagogischer Ansätze, also eine Weiterentwicklung des ganzheitlichen Waldorfprinzips.  2)

Es ist offensichtlich: Die Strahlkraft von Monte Azul, zu deutsch „Blauer Berg“, reicht weit über die Grenzen der Favelas hinaus.  Dabei arbeitet sie unter schweren Bedingungen. Die Spirale der Gewalt in den Favelas von São Paulo dreht sich unbeeindruckt weiter. Aus der PCC, einer Organisation die sich ursprünglich den unmenschlichen Verhältnissen in brasilianischen Gefängnissen widmete, wurde nach nur wenigen Jahren eine der gefährlichsten kriminellen Organisationen des Landes. Gerade in den sozialen Brennpunkten haben solche kriminellen Vereinigungen großen Einfluss. Haupteinnahmequelle der PCC ist der Drogenhandel, ein profitables Geschäft auf einem der größten Absatzmärkte Amerikas. 3) Die staatlichen Behörden finden sich zunehmend in der Position des unbeteiligten Zuschauers.

Sogar Wohltätigkeitsorganisationen wie Monte Azul sind Ziele ihrer Anschläge. Craemer wendet sich jedoch gegen die vereinfachte Sicht, nur die Armut sei für die Eskalation der Gewalt verantwortlich. Vielmehr sieht sie die Schuld bei den korruptionsanfälligen Behörden und deren ungenügenden Anstrengungen zur sozialen Integration von benachteiligten Bevölkerungsschichten. 4) Deshalb richten sich Craemers Projekte vor allem an die Armen und Schwachen der brasilianischen Gesellschaft – das macht sie zu einer Institution in Brasilien.

Zehn Jahre war sie Beirat des Vorstandes der Anthroposophischen Gesellschaft Brasiliens, saß viele Jahre im Friedensrat des brasilianischen Parlaments. Ihr „Kind“, Monte Azul, geht inzwischen in der „Alliance for Childhood“ auf, einer ebenfalls von ihr gegründeten Initiative, die sich der frühkindlichen Entwicklung von Kindern widmet 5). Ansatz ist, gemäß des Waldorf-Ansatzes, dass in der frühkindlichen Entwicklung vor allem der Selbsterfahrung durch Spielen eine große Rolle zukommt. So selbstverständlich das klingen mag, ist das doch eine Aufforderung zur Abkehr von einem Trend, der Bildung und Erziehung vermehrt sogar in die Kindergärten trägt.

Vom „Recht, auf Kindsein“ ist die Rede. Das ist in modernen industriellen Gesellschaften, insbesondere aber in Entwicklunsstaaten keine Selbstverständlichkeit.

Unter dem Titel „Die Brückenbauerin“ ist gerade beim Scoventa Verlag die von der Journalistin Dunja Batarilo geschriebene Biografie Ute Craemers erschienen. 6)

 

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1.  Monte Azul Internation e.V. 
  2.  Erziehungskunst 3/2008: Ute Craemer und die Favelas. 
  3.  FAZ.net: Brasilien, Partei des Verbrechens, aufgerufen am 19.08.2014. 
  4.  FAZ.net: Brasilien, Partei des Verbrechens, aufgerufen am 19.08.2014. 
  5. Alliance for Childhood
  6.  Perlentaucher: Rezensionsnotiz, aufgerufen am 19.08.2014. 



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