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Die Stimme der Straßenkinder

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

Unsere Welt wird dominiert von rasant wachsenden Städten. Schon im Jahr 2031 werden aller Voraussicht nach fünf Milliarden Menschen im städtischen Raum leben. Noch vor einiger Zeit war das die Größe unserer gesamten Menschheit. Doch die rapide Urbanisierung stellt uns vor neue Herausforderungen: Armut und Perspektivlosigkeit konzentrieren sich in den Städten und immer mehr Menschen sind gezwungen, in Slums und auf der Straße zu leben. 1)

Viele große Städte, die sich unter dem Einfluss der Urbanisierung verändern, liegen in Asien. Zahlreiche Kinder sind betroffen: Auf dem Kontinent lebt fast die Hälfte der unter 18-Jährigen Weltbevölkerung. Der unabhängige Journalist Donald Brown bereiste erst kürzlich vier asiatische Großstädte, in denen die Urbanisierung sichtbar zu Armut führte  – Dhaka, Kathmandu, Manila und Jakarta – und traf dort einige der ärmsten Kinder dieser Städte. Die meisten von ihnen leben in Slums oder auf der Straße, manche auch bei ihren Eltern oder in einer Unterkunft für Waisen und Ausreißer. Fast alle verrichten in irgendeiner Form Kinderarbeit. Seine Bekanntschaften mit Straßenkindern und deren tägliche Erfahrungen mit städtischen und natürlichen Gefahren schildert der Reporter in einem kürzlich erschienenen Artikel 2) im Guardian.

Das Leben der Straßenkinder in den asiatischen Großstädten Dhaka, Kathmandu, Manila und Jakarta

Bangladesh befindet sich noch im Anfangsstadium der Urbanisierung. Seine Hauptstadt Dhaka zählt über 15,3 Millionen Einwohner und hat zudem eine Wachstumsrate von knapp drei Prozent. 3) Kinder arbeiten hier hauptsächlich als Bettler, Müllsammler, Dealer oder Musiker. Eine Folge der raschen Urbanisierung ist die starke Vermehrung von unsicher gebauten Häusern, u.a. von Fabriken. In den letzten Jahren hatten einstürzende Fabrikgebäude in Bangladesh für tausende Arbeiter den Tod bedeutet. Auch die meisten Kinder, mit denen Brown sprach, hatten in solchen Fabriken gearbeitet und berichteten vor ihrer Angst vor einem Einsturz der unsicher konstruierten Gebäude.

Ähnlich ergeht es Kindern in Nepals Hauptstadt Kathmandu. Ein Kind erzählte Brown, es fürchte, das Fabrikgebäude könne bei heftigem Regen oder einem Erdbeben einstürzen. Ein anderes berichtete, wie der Wind einmal fast das Dach weggeblasen hatte. Die Stadt ist mit einer Millionen Einwohnern zwar kleiner als Dhaka, aber mit knapp vier Prozent Wachstumsrate eine der am schnellsten wachsenden Städte in Südasien. Viele Kinder müssen jeden Tag bis zu zehn Stunden arbeiten, viele Mädchen sind dazu verantwortlich für die Hausarbeit.

In der niedrig gelegenen Küstenstadt Manila, der größten Stadt der Philippinen, leben über elf Millionen Menschen in einem vor Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Wirbelstürmen ungeschützten Raum. Den Tsunami fürchten die Kinder am meisten, denn diesem wären die Menschen in der Stadt hilflos ausgeliefert. „[…] Niemand von uns würde wissen, wann wir losrennen müssen, weil unser Frühwarnsystem geklaut wurde”, erzählte ein 16-jähriges Mädchen. Daneben begegnen sie täglichen Gefahren der Großstadt, vor allem beim Müllsammeln ohne Schutzkleidung. Zudem leben die Mädchen und Jungen in ständiger Angst vor sexuellem Missbrauch und Gewalt, schreibt Brown. Jedes Kind, mit dem er sprach, konnte mindestens einen Mord bezeugen.

In allen vier Städten, die der Journalist besuchte, ist eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich zu spüren. So auch in Jakarta in Indonesien. Ähnlich wie in Manila sind die Menschen dort Naturgefahren ausgesetzt und wie in allen vier Städten, die der Journalist besuchte, müssen viele Kinder arbeiten, um sich ein Leben oder Bildung finanzieren zu können. Der Lohn ist niedrig: Umgerechnet rund 1,20 Euro am Tag. Anstatt die Straßenkinder zu beschützen, werden diese eher als Krimielle betrachtet. Ein 14-Jähriger Straßenjunge meinte: „Die Erwachsenen hören uns nicht immer zu. Manchmal geht unsere Stimme einfach in ihr rechtes Ohr hinein und zum linken wieder hinaus.”

„Agents of change and resilience“

Die Treffen mit Kindern in Dhaka, Kathmandu, Manila und Jakarta zeigten dem Journalisten, dass vielzitierte Vorteile von Städten – im Sinne von besserer Bildung und Lebensbedingungen – nicht auf diejenigen zutreffen, die in städtischer Armut leben. Doch er bemerkt auch, wie widerstandsfähig viele Kinder aus prekären Situationen sind. In Nepal traf er Mitglieder der „Urban Poor Empowerment Society“, einem Zusammenschluss aus jungen Menschen, die versuchen, die ärmere Schicht zu mobilisieren, um für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu kämpfen. In Manila sprach er zu Mitgliedern einer Organisation „Youth Bined Together“, die für ein neues Gesetz kämpfen, das es Fabriken verbietet, chemisches Abwasser in die umliegenden Flüsse abzulassen. Auch wenn Kinder unverhältnismäßigen Risiken ausgesetzt sind, darf man sie nicht nur als Opfer sehen, schlussfolgert Brown: „Even in the toughest urban environments, organisations such as this point towards what young people are capable of achieving as agents of change and resilience.“ 4)

Report von Donald Brown, im Auftrag von Plan International und  dem International Institute for Environment and Development

Foto: Jonathan McIntosh

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Bundeminsiterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Perspektiven der Urbanisierung – Städte nachhaltig gestalten: Vorwort von Dirk Niebel Seite 2; erschienen 2013; aufgerufen am 4.3.2014
  2. The Guardian: How are cities‘ accelerating growth affecting their poorest children?; erschienen am 3.3.2014; aufgerufen am 4.3.2014
  3. Plan-UK.de: Asian Cities Climate Resilence: Report by Donald Brown and David Dodman; erschienen Anfang 2014; aufgerufen am 4.3.2014
  4. The Guardian: How are cities‘ accelerating growth affecting their poorest children?; erschienen am 3.3.2014; aufgerufen am 4.3.2014



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