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Kinder zu Olympia getrimmt

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

Die Hoffnung einer ganzen Nation auf Gold im Eiskunstlauf der Damen bei den Olympischen Spielen lastete auf den Schultern der Russin Julia Lipnitskaja – dem Liebling des russischen Publikums und mit gerade einmal 15 Jahren die jüngste Eiskunstläuferin der Geschichte. 1) Am Ende triumphierte allerdings eine andere Russin und holte die erste Goldmedaille in der Einzelkür nach Russland, die mit gerade einmal 17 Jahren auch nicht viel älter ist als Julia. Minderjährige Sportler und Sportlerinnen sind im Hochleistungssport keine Seltenheit, wie wieder jetzt zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi deutlich wurde: In vielen Disziplinen kämpften minderjährige Mädchen und Jungen im zarten Alter von 15 oder 16 Jahren mit den Erwachsenen um die Medaillen.

Dass der Preis für eine Olympia-Teilnahme allerdings hoch ist, bekommen die Kinder sowohl körperlich als auch seelisch zu spüren. Besonders Russland und China sind berühmt-berüchtigt für ihre Elite-Sportschulen, in denen Kinder bereits in jungen Jahren hart trainiert und sportlich gefördert werden. Unzählige Weltmeister und Olympiasieger haben diese Kaderschmieden bereits hervorgebracht, darunter vor allem im Geräteturnen, Rhythmischer Sportgymnastik und Eiskunstlauf. Doch diese Sportschulen haben es in sich und sind für ihre gnadenlosen Trainingsmethoden bekannt. Die Kinder werden regelrecht zu Bestformen getrimmt, denn vom ersten Tag an zählt nur eines: Leistung. Um diese zu erzielen, ist ihr Tagesplan straff organisiert: Vormittags drücken die Kinder die Schulbank und den ganzen Nachmittag über wird trainiert. Auch die Wochenenden gehören dem Sport – Wochenenden oder Ferien zum Entspannen kennen viele Kinder gar nicht, ihre Familien können sie oft monatelang nicht sehen. 2) In den Sportschulen, die den Beinamen „Schule der Schmerzen“ tragen, wird oftmals nicht besonders zimperlich mit den Kindern umgegangen: Zu Lachen haben die Kinder während des Trainings wenig, oft fließen sogar Tränen. Klappt etwas nicht, haben die Trainer wenig Mitleid mit ihren Schülern und es kann schon mal vorkommen, dass Kinder geschlagen werden oder nachts für Extraübungen aus dem Bett geholt werden.

Die körperlichen Schäden durch ein so hartes und intensives Training sind enorm. Viele Sportlerinnen und Sportler riskieren chronische Verletzungen, da die Warnsignale des Körpers ignoriert werden und die Kinder trotz Schmerzen und Verletzungen zum Weitertrainieren gezwungen werden. Fraglich ist auch, ob Sportler unter 18 Jahren in der Lage sind, den psychologischen Herausforderungen des Hochleistungssports standzuhalten. Denn der Leistungs- und Erwartungsdruck, der auf den jungen Sportlern lastet, ist verheerend für die Psyche der Kinder. Von Kindesbeinen an werden sie systematisch auf den Erfolg getrimmt: Nur wer hervorragende Ergebnisse liefert und Weltmeisterschafts- und Olympiamedaillen gewinnt, dem steht ein sorgenfreies Leben mit finanzieller Unterstützung und guten Jobs bevor – wer es allerdings nicht bis ganz nach oben schafft, dem droht der soziale Absturz. 3)

Erfolg und Geld ist vor allem für die Eltern und Trainer wichtiger als die Gesundheit und persönliche Entwicklung ihrer Kinder. Oftmals sind es auch gar nicht die Kinder, die sich für den Leistungssport entscheiden, sondern die Eltern, die ihre Kinder zu dieser Karriere drängen. Doch selbst die größten Erfolge sind nur von kurzer Dauer und die Kinder zahlen dafür mit ihrer Kindheit und Jugend, die sie nicht ausleben und genießen konnten, und mit ihrer Gesundheit, die durch den Extremsport langfristig ruiniert wird, einen hohen Preis. Was ist schon eine Goldmedaille bei Olympia wert, wenn man dafür mit Mitte 30 ein körperliches und seelisches Wrack ist?

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Spiegel Online: 15-jährige Eiskunstläuferin Lipnitskaja: Dieses Kind soll für Russland Gold holen (Zuletzt aufgerufen am 26.02.2014)
  2. Neue Züricher Zeitung: Die Sportkinder Chinas (Zuletzt aufgerufen am 26.02.2014)
  3. Die Welt: Chinas Sportjugend trainiert sich kaputt (Zuletzt aufgerufen am 26.02.2014)



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Ein Gedanke zu „Kinder zu Olympia getrimmt“

  1. Liebe Nicole,
    ich habe heute Ihre Publikation gelesen. So erschütternd unglaublich es sich liest, steckt leider viel Wahrheit darin. Ich selbst kenne den kinslichen Leistungssport als DDR-Ruderin in einer „Kadersschmiede“.
    Ich kann bestätigen, dass das was Sie schreiben, leider trauriger Alltag in diesen
    Eliteschulen ist. Dieses Modell bestand bereits in der DDR. Gerade die Chinesen haben
    es mit Hilfe der DDR-Trainer und Funktionäre, die nach der Wende nach China ausgewandert sind, eins zu eins übernommen.
    Die körperlichen und seelichen Schäden der Betroffenen sind verherend. Oft stehen sie am sozialen Abgrund, da sie keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen können.
    Hilfe in Form einer Rente ist von der Politik nicht gewollt und somit nicht in Sicht.
    Auskunft dazu kann Ihnen der Doping-Opfer-Hilfeverein geben.
    Ich danke Ihnen für diesen Beitrag und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg.
    Freundliche Grüße, Cornelia Reichhelm

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