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Tod einer 8-Jährigen nach ihrer Hochzeitsnacht

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

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An inneren Verletzungen nach ihrer Hochzeitsnacht starb vergangene Woche Rawan, ein 8-jähriges jemenitisches Mädchen. Die Verletzungen sind auf die Vergewaltigung durch ihren Ehemann zurückzuführen. Der über 40-jährige Saudi-Araber kaufte Rawan von ihrem Stiefvater und heiratete sie im Jemen. Rawans leiblicher Vater ist tot. Der Ehemann wurde bisher noch nicht festgenommen.

In der islamischen Kultur ist die Kinder- und Zwangsheirat keine Seltenheit. Es wird immer wieder von tödlichen Vorfällen in Bezug auf Kinderehen berichtet. Viele islamisch geprägte Staaten haben bereits Gesetze verabschiedet, nach denen eine Eheschließung mit Minderjährigen verboten ist und unter Strafe gestellt wird. Anders im Jemen: Bisherige Versuche zur Einführung eines Mindestalters für die Eheschließung wurden von der stark traditionell geprägten Regierung verhindert. Vielmehr wurde 1999 ein Gesetz erlassen, nach welchem das Schutzalter für die Zulässigkeit von sexuellen Handlungen von 15 Jahren auf den Beginn der Pubertät gesenkt wurde. Nach jemenitischer Auffassung beginnt die Pubertät mit 9 Jahren. 1) Somit unterliegen Ehen mit minderjährigen Mädchen dem Schutz des Gesetzes. In ländlichen Regionen wird diesem Gesetz wenig Beachtung geschenkt und auch noch jüngere Mädchen werden verheiratet.

Laut Angaben von Human Rights Watch werden rund 14 Prozent der Mädchen vor ihrem 15. Lebensjahr und 52% vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet. 2)  Häufig sind die Ehemänner sehr viel älter als die Mädchen.

Grundlage für die Eheschließungen mit minderjährigen Mädchen bildet der islamische Glaube. Mädchen dürfen aufgrund der Sunna – ein Vorgehen nach dem prophetischen Vorbild –  mit 9 Jahren verheiratet werden. Dies basiert auf einer Überlieferung, wonach Aischa, die dritte Frau des Propheten Mohammeds, bei Abschluss des Ehevertrages 6 Jahre und bei der Heirat 9 Jahre alt gewesen sei. 1)

In ländlich-traditionellen Familien ist es Brauch, Töchter mit 9 Jahren von der Schule zu nehmen und sie zu verheiraten, oder im Haushalt und auf dem Feld arbeiten zu lassen. Eine frühe Heirat sichert die Ehre der Familie, da die Jungfräulichkeit der Braut vor der Ehe noch gewahrt ist. Viele Familien sind oftmals dringend auf das Brautgeld angewiesen. Diese Summe muss von der Familie des Bräutigams für die Braut bezahlt werden. Sehr junge Frauen können oftmals ein sehr hohes Brautgeld erzielen.

Über die erheblichen Folgen von Kinder- und Zwangsheirat berichteten wir bereits mehrfach. Grundsätzlich führen Kinder- und Zwangsheirat dazu, dass Frauen und Mädchen weiterhin als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Aufgrund fehlender Bildung können sie sich nicht angemessen gegen das patriarchalische Umfeld wehren. Sie bleiben Opfer von Unterdrückung, häuslicher und sexueller Gewalt. 3)

Im Jemen selbst wurde der Tod der jungen Rawan sowie die Zwangsheirat vom Jugendsamtleiter Schalef dementiert. Schalef behauptet, dass Rawan noch am Leben sei, nicht zwangsverheiratet wurde und keine 8 sondern 11 Jahre sei. Der Vater des Mädchens wolle nun die Journalisten und Organisationen verklagen, die gegenteiliges behauptet haben.

Die Aussage Schalefs ist allerdings in Frage zu stellen: es gibt keinen Beweis dafür, dass die 11-Jährige Rawan mit ihrer Familie, aufgesucht von Schalef, mit der 8-jährigen Rawan aus den Berichten der örtlichen Medien und Menschenrechtlern übereinstimmt. Es wurden keine Nachnamen oder weitere Anzeichen genannt, die eine Übereinstimmung nachweisen. Möglicherweise will der Jemen einer Belastung der Beziehungen zu Saudi-Arabien aus dem Weg gehen, und versucht die Angelegenheit zu vertuschen. 4)

Unabhängig davon, wer an dieser Stelle die Wahrheit sagt: von Bedeutung ist, dass immer wieder junge Mädchen im Jemen aufgrund von Vergewaltigungen durch ihren Ehemann sterben. Der Heirat mit Minderjährigen wird trotzdem kein Riegel vorgeschoben. Nach internationalem Recht ist die Zwangsheirat verboten. Die freie Wahl eines Ehepartners gilt als Menschenrecht und darf nicht missachtet werden. Der Jemen hat 1991 die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, nach welcher die Zwangsheirat von Kindern ebenfalls verboten ist. Menschenrechtler versuchen Aufklärungsarbeit zu leisten und die Gesellschaft zu sensibilisieren. Aber ein fehlender Rechtsstaat, politische Umbrüche und ein religiös-traditionell geprägter Staatsapparat führen dazu, dass den Themen Zwangsheirat, Kindesmissbrauch sowie zugehörigen Menschenrechten innenpolitisch nur geringe Prioritäten zugewiesen werden.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Wikipedia: Kinderheirat – abgerufen 18.09.2013
  2. Human Right Watch: Jemen: Kinderehen gefährden Mädchen – aufgerufen am 18.09.2013 nicht verfügbar
  3. Stern: Zwansheirat im Jemen – abgerufen 18.09.2013
  4. Fokus: Jugendamtsleiter dementiert Bericht – abgerufen 18.09.2013



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