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Kindersoldaten auf den Philippinen: Kann das geplante Gesetz dieses Problem lösen?

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

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Manchmal habe ich mich gewundert, ob meine Kugel jemanden getroffen hat. Schon nach den ersten Schüssen hast du den Dreh raus, und das Töten von Menschen erscheint aufregend.“

Wenn man solche Worte liest, vermutet man nicht, dass ein minderjähriges Mädchen hinter einer solchen Aussage steckt. Aida (Name geändert) ist eines von fünf Mädchen, das von der UN für einen Bericht über weibliche Kindersoldaten interviewt wurde. Einst ging sie zur Schule, war Klassenbeste. Doch die schlechten Bildungschancen und die Armut ihrer Familie zwangen sie, die Schule zu verlassen. Am Anfang schlug sie sich als Hausmädchen durch, dann trat die kommunistische Rebellenorganisation New Peoples’ Army (NPA) in ihr Leben. Erst bei der NPA lernte sie richtig lesen und schreiben, übernahm Verantwortung, befehligte Soldaten, die älter waren als sie. Nebenbei wurde ihr beigebracht, wie sie ein M16-Gewehr zu handhaben hatte.

Aida ist kein Einzelfall. Viele Jungen und Mädchen träumen von einem besseren Leben. Doch die Realität sieht anders aus: Die Armut ist immer noch sehr hoch, die Bildungsmöglichkeiten in vielen Landesteilen dürftig. Konfrontiert mit den mangelnden Chancen, ihren Lebensstandard signifikant zu heben, sehen einige stattdessen in der Teilnahme in paramilitärischen Organisationen einen Sinn, können dort ein zuvor nie dagewesenes Gefühl des Abenteuers ausleben. Die NPA gab Aida das, was ihr eine funktionierende Gesellschaft und eine wirtschaftlich abgesicherte Familie geben sollten: Selbstvertrauen, Verantwortungsbewusstsein, Sicherheit und ein starkes Zugehörigkeitsgefühl. 1)

Man vermutet, dass 7.500 Menschen für die NPA kämpfen, bis zu 20% davon sollen noch Kinder sein. Ähnliches lässt sich über andere Rebellengruppen sagen, die islamistische Moro Islamic Liberation Front (MILF) besteht aus ca. 10.000 Kämpfern, man schätzt, dass 13% davon noch unter 18 Jahre alt sind. Auch der Abu Sayyaf-Gruppe wird Selbiges vorgeworfen. Gesicherte Zahlen über die insgesamte Anzahl an Kindersoldaten gibt es nicht. Die Rebellen bieten den Kindern oftmals Waffen und Geld, um sie zu ködern, später kämpfen sie um Leben und Tod, manche von ihnen müssen mit Landminen hantieren. Gesetze dagegen gibt es natürlich längst, Human Rights Watch bilanziert jedoch vernichtend, diese hätten „versagt“. 2)

Das soll sich nun ändern, ein neues, ergänzendes Gesetz – das sogenannte Special Protection of Children in Situations of Armed Conflict Bill ist bereits auf den Weg gebracht. Diese neue judikative Maßnahme soll für alle Kinder gelten, welche „rekrutiert und in militärischen Konflikten als Kämpfer, Spion, Bote, Kurier oder Koch eingesetzt werden“, sagt etwa Politiker Marcelino Teodoro. 3) Diese könnten nach dem neuen Gesetz nicht mehr juristisch für ihre als Kindersoldaten begangenen Taten belangt werden. Ebenso würde nun auch das Anwerben von Kindern kriminalisiert. Auch würden die Strafen im Vergleich zum bis dato geltenden Gesetz  – dem Act Providing for the Elimination of the Worst Forms of Child Labor – verschärft. Für das Einsetzen von Kindersoldaten würde eine Mindesthaftstrafe von 14 Jahren (vorher 12) verhängt. Zudem würden ehemaligen Kindersoldaten Möglichkeiten zur Rehabilitation und Reintegration angeboten. 4)

Schon im Mai 2011 hatte das Repräsentantenhaus einen entsprechenden Gesetzesentwurf durchgewunken, im November des gleichen Jahres geschah selbiges auch in der anderen Legislativkammer, dem Senat. Aktuell wird noch daran gearbeitet, beide Versionen zu harmonisieren.

Charu Lata Hogg, Mitarbeiterin von Child Soldiers International, äußert sich geradezu euphorisch über die neuen Maßnahmen: „Dieses Gesetz könnte die Philippinen auf eine Höhe mit den besten, internationalen Standards zum Schutz von in bewaffneten Konflikten eingesetzten Kindern bringen.“

Jedoch gibt es hier einen Haken: So beinhaltet das neue Gesetz einen Passus, nach dem es u.a. (Stief-)Eltern, Erziehungsberechtigten, Verwandten bis zum dritten Grade und „jedweder Person, welche Kontrolle oder moralischen Einfluss auf das Kind hat“ verboten sei, das jeweilige Kind zur Mitgliedschaft in einer militärischen Gruppe zu zwingen, zu ermutigen oder zu nötigen. Ebenso ist es nicht erlaubt, Ähnliches auch nur zu erlauben oder das Kind zu beeinflussen. 4) Entgegenhandlungen würden mit Haftstrafen zwischen 6 und 12 Jahren geahndet.

Menschenrechtsorganisationen fordern nun, ebendiesen Passus zu entfernen. Er sei viel zu vage formuliert – insbesonders sei nicht geklärt, wer eine Person sei, die „moralischen Einfluss auf das Kind“ habe – und würde somit möglichem Missbrauch und Fehlinterpretationen Tür und Tor öffnen. So würde z.B. nicht berücksichtigt, dass viele Kinder gegen den Willen ihrer Eltern (oder gar dem eigenen) Soldat würden. Auch könnte so ein Familienmitglied, welches einen Minderjährigen durch eine erfolgreiche militärische Laufbahn zum Soldatentum inspiriert hat, bestraft werden. 3)

Generell setze diese Gesetzestelle an der falschen Stelle an. Charu Lata Hogg spezifiziert: „Die Rekrutierer von Kindersoldaten, nicht deren Eltern, sollten diejenigen sein, die juristisch verfolgt werden.“

Sollte dieser Paragraph gestrichen werden, so steht einer schnellen Verabschiedung jedoch nichts mehr im Wege.

Schon seit Jahrzehnten war es nicht möglich gewesen, die Lage der vielen Kindersoldaten entscheidend zu verbessern. Zumindest rechtlich dürfte nun ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung bevorstehen.

Lesetipp: UN-Bericht über Kindersoldaten auf den Philippinen

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Liberating Child Soldiers in the Philippines – Voices of Youth – Englisch
  2. PH rebels use child soldiers – report – ABC/CBN News – Englisch
  3. Underage soldiers: blame mom and dad? – Global Post – Englisch
  4. Philippines: Amend Draft Law on Child Soldiers – Human Rights Watch – Englisch



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