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Neuer US-Kinderarbeitsbericht: Wirtschaftsverhandlungen der USA mit Vietnam in Frage gestellt

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

„Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: dass alle Menschen […] mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, [und] dass dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.“  1)

Mit diesen Worten beginnt die Präambel der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776. Seit diesem Jahr sehen sich die Vereinigten Staaten von Amerika bis heute noch als Vorreiter in Hinsicht auf Demokratie, Freiheit und Menschenrechte. Daher verwundert es nicht, dass die USA auch in Bezug auf Kinderarbeit eine dezidierte Meinung vertritt. So sprach Barack Obama im Juni 2010:

„Die Kindheit ist eine Zeit, die in Klassenzimmern und auf Spielplätzen verbracht werden sollte. 215 Millionen Kinder weltweit verbringen diese Zeit jedoch mit Arbeit unter oftmals gefährlichen und bedauernswerten Zuständen. Und auch wenn Berichte einen kontinuierlichen Rückgang an Kinderarbeit feststellen, so bleibt immer noch viel zu tun.“

Gleichzeitig ließ Obama seinen Worten Taten folgen und bewilligte eine Summe von 60 Millionen zur Bekämpfung des von ihm angesprochenen Übels.  2)

Jahre später hat er sich freilich mit anderen Angelegenheiten herumzuschlagen. Für das Lösen von entwicklungspolitischen Problemen blieb ihm während seiner Amtsperiode wenig Zeit, es galt wirtschaftliche Themen voranzutreiben. So versuchen die Vereinigten Staaten schon seit 2008 mit anderen Pazifikanrainern Teil der sogenannten Transpazifischen strategischen wirtschaftlichen Partnerschaft (TPP), einem Freihandelsabkommen von bisher vier Schwellenländern des pazifischen Raumes, zu werden. Wie alle liberalistischen Abkommen dieser Art birgt ein solcher Vertrag eine Reihe an ökonomischen Vorteilen: Der Abbau von Zöllen, eine potenzielle Erhöhung des Exports sowie die Eröffnung von neuen Absatzmärkten seien hier genannt.

Langsam droht die Chose jedoch ins Negative umzuschwenken. Die Verhandlungen ziehen sich hin, erste Kritik an einer möglichen, mit einem Vertragsabschluss einhergehenden Urheberrechtsverschärfung wurde bereits laut, und auch der wirtschaftliche Nutzen dieses Abkommens für die USA wird allmählich in Frage gestellt.

Nun gewinnt das Ganze jedoch eine neue Dimension: Jährlich veröffentlicht das US-Arbeitsministerium eine Liste an Ländern, in denen gehäuft Kinderarbeit im produzierenden Sektor vorkommt. 2012 wurden drei neue Staaten hinzufügt: Unter ihnen ist auch Vietnam, ein Land, wo Schätzungen zufolge 16% aller Kinder – zumeist in Familienbetrieben – arbeiten, und wo nun auch Fälle in der Bekleidungs- und Ziegelindustrie dokumentiert wurden.  3) Pikant: Vietnam ist, ebenso wie die Vereinigten Staaten, Anwärter auf eine TPP-Mitgliedschaft und wäre bei einem erfolgreichen Abschluss des dann erweiterten Abkommens Teil einer gemeinsamen Freihandelszone.

Angesichts dieser nachgewiesenen Verstöße ließ die American Manufacturing Trade Action Coalition (AMTAC) – ein Verband, der Interessen des amerikanischen Produktionssektors vertritt – letzte Woche ernste Zweifel verlauten, ob Vietnam ein angemessener Partner für ein solches Wirtschaftsabkommen sei, und forderte US-Handelsvertreter Ron Kirk obendrein zu einer genauen Überprüfung einer möglichen Teilnahme Vietnams an TPP-Verhandlungen auf. Neben den bereits genannten Fällen an Kinderarbeit begründete die AMTAC ihre Entscheidung u.a. mit der dort „fehlenden Pressefreiheit“ und den „überall vorhandenen Menschenrechtsverstößen“.  4)

Eine offizielle Reaktion steht noch aus. Ob die US-Regierung jedoch den Ratschlag der AMTAC befolgt und zukünftige Wirtschaftsverhandlungen mit Vietnam in Frage stellt, bleibt zweifelhaft. Schon seit langem wird Obama von Kritikern Bigotterie in Menschenrechtsfragen vorgeworfen.  5) Als weiteres Indiz für eine Weiterführung der Verhandlungen ist zu werten, dass die USA Ende 2012 höchstwahrscheinlich ein transpazifisches Partnerschaftsabkommen mit dem einstigen Kriegspartner verabschieden will. Dieses würde zwar auch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen beinhalten, konkrete Richtlinien in Bezug auf Kinderarbeit wurden allerdings nicht erwähnt. Höchste Priorität scheint weiterhin der wirtschaftlichen Dimension beibemessen. Außenministerin Clinton entgegnete  Kritikern immerhin, dass Prosperität und eine verbesserte Menschenrechtslage eng miteinander vernetzt wären.  6) Gegen diese Theorie spricht jedoch das seit Jahrzehnten anhaltende Wirtschaftswachstum Vietnams  7), das leider mit einer unverändert besorgniserregenden Menschenrechtslage einhergeht. Erst im September wurden drei regierungskritische Blogger wegen „staatsfeindlicher Propaganda“ zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.  8)

Nun muss sich zeigen, ob die USA bereit sind, sich auf ihre Werte zu besinnen, und notfalls auf wirtschaftliche Vorteile in einem der boomendsten Absatzmärkte Südostasiens zu verzichten. Dies wäre zumindest symbolisch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, damit einigen Kindern dieser Erde nicht das vorenthalten bleibt, was die Gründerväter einst für die Vereinigten Staaten vorgesehen hatten: Leben, Freiheit und das Streben nach Glücksseligkeit.

 

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776
  2. Obama commits $ 60 million towards child labour elimination – TheHindu.com
  3. List of Goods Produced by Child Labor or Forced Labor – S. 32
  4. US: Manufacturing group questions Vietnam’s TPP participation – JustStyle.com
  5. Obama’s hypocrisy at the United Nations– SocalistWorker.org
  6. US-Vietnam Trans-Pacific Partnership Deal To Be Signed By Year End – RTTNews
  7. GDP growth (annual %) of all countries – WorldBank
  8. Blogger verurteilt – Frankfurter Rundschau



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