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Asien: „Wenn ihr keine Mädchen gebären wollt, wo kommen all die Schwiegertöchter her?“

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

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China, Indien und Vietnam leiden unter einem Mangel an jungen Frauen für ihre heiratswilligen Männer. In China liegt das Verhältnis der Neugeborenen bei 120 Männern auf 100 Frauen, während ein Verhältnis von 105 zu 100 als normal erachtet wird. In Indien ist das Verhältnis der Jungen unter sieben Jahren von 107,9 auf 100 Mädchen im Jahre 2001 und auf 109,4 in 2011 gestiegen. Auch in Vietnam steigt der Anteil der Männer. Während 2000 „nur“ 106,2 Jungs auf 100 Mädchen kamen, waren es 2009 110,5. Einer der stellvertretenden Premierminister in Vietnam, Nguyen Thien Nhan, weist darauf hin, dass 2030 3 Millionen Männer keine Ehefrau finden könnten.

Experten warnen davor, dass die steigenden Zahlen unverheirateter Männer negative soziale und politische Konsequenzen haben könnten, sowie das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen würde. Der Frauenmangel führe zu einer Kriminalisierung der Gesellschaft, die sich in zunehmender Aggressivität zeige. Das wiederum könne zu internen Konflikten, bewaffneten Revolutionen oder auch externen Spannungen führen.

Die Gründe für dieses ungleiche Geschlechterverhältnis liegen in der traditionellen Vorliebe für Söhne. Söhne können in der Landwirtschaft helfen und die Altersfürsorge der Eltern liegt in ihrer Verantwortung. Mädchen dahingegen brauchen Mitgiften und müssen nach der Hochzeit loyal zur Familie ihres Ehemannes sein, und können daher ihre Eltern im Alter nicht unterstützen. Die Probleme, die ein Mädchen mit sich bringt, führen dazu, dass geschlechtsbezogene Abtreibungen zunehmen. In China hat außerdem die Ein-Kind-Politik dafür gesorgt, dass Eltern lieber einen Jungen als ein Mädchen gebären und großziehen.

Vermutungen, dass die Ungleichheit mit einem Ansteigen des Reichtums zurückgehen würde, haben sich nicht bewahrheitet. Die moderne Technik mit Ultraschallgeräten macht es sogar zunehmend einfacher, Mädchen abzutreiben. Obwohl alle drei Länder – China, Indien und Vietnam – geschlechtsbezogene Abtreibung und das Bekanntgeben des Geschlechts des Kindes vor der Geburt verboten haben, werden diese Gesetzte nicht durchgesetzt.

Der Frauenmangel führt dazu, dass Mädchen und junge Frauen als Bräute verkauft werden. In Indien kaufen reichere Familien Mädchen aus ärmeren Provinzen als Bräute für ihre Söhne. Herr Ram Niwas, 68,  erzählt, dass er für 80 000 Rupien (umgerechnet etwa 1275 Euro) die 19-jährige Suman für seinen 35-jährigen Sohn gekauft hat. Wenn sie etwas falsch macht, wird Suman geschlagen, aber sie wurde nicht vertrieben, wie so viele andere, nachdem sie der Familie den lang ersehnten männlichen Erben geboren hatte. Herr Niwas betont, dass der Kauf der jungen Frau ein gutes Geschäft war: „Ein Wasserbüffel ist immer noch teurer als eines dieser Mädchen“. Allerdings zeigt sich in China eine andere schreckliche Folge: Junge Mädchen werden immer öfter entführt, um als zukünftige Bräute großgezogen zu werden.

Die Politik hat versucht, durch verschiedene Aktionen auf diesen bedrohlichen Trend zu reagieren. In China gibt es Unterstützung bei der Altersfürsorge für Eltern, die keine männlichen Nachkommen haben. Sie erhalten monatlich bis zu 900 Renminbi, umgerechnet knapp hundert Euro. In einigen ländlichen Gegenden bekommen Töchter Bonuspunkte bei Aufnahmeprüfungen zu Universitäten oder eine Studienfinanzierung von bis zu 3000 Renminbi (etwa 330 Euro). In der Provinz Henan, einer der ärmsten des Landes, beziehen Familien, die nur Mädchen haben, 20 Prozent Rabatt auf medizinische Versorgung. Des Weiteren versuchen die Politiker mit großen Werbeplakaten auf das Problem aufmerksam zu machen. Die Plakate fragen beispielsweise „Wenn ihr keine Mädchen gebären wollt, wo kommen all die Schwiegertöchter her?“. Einige der indischen Staaten bieten Mädchen aus armen Familien kleinere Geldmengen an, wenn sie verschiedene Lebensabschnitte erfolgreich bewältigt haben.

Wenigstens in China scheinen die Aktionen einen gewissen Erfolg verbuchen zu können. Nachdem sich das Geschlechterverhältnis seit der Einführung der Ein-Kind-Politik in 1979 durchgehend verschlechterte, hat es sich nun stabilisiert. In einigen Regionen hat sich der Trend sogar schon gewendet. Unterstützend kommt hinzu, dass sich die wirtschaftliche Situation für Mädchen und Frauen zunehmend verbessert, während der steigende Konkurrenzkampf der Männer um mögliche Ehefrauen dazu führt, dass Männer zunehmend teuer für ihre Familien werden, da sie sich beispielsweise eine Wohnung kaufen müssen. Damit verändert sich die traditionelle Rechnung vieler Familien. Ergänzend dazu bringt die zunehmende Industrialisierung mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen und damit mehr Selbstständigkeit und finanziellen Wert. Renten werden häufiger, wodurch Eltern nicht mehr unbedingt einen Sohn für ihre Altersversorgung benötigen. Ebenso können zunehmend auch Frauen durch ihren finanziellen Verdienst diese Rolle übernehmen.

Aber so schön diese Änderungen scheinen, die Ungleichheit lässt sich nicht so schnell aus der Welt schaffen. 2010 offenbarte eine Volkszählung, dass China 34 Millionen mehr Männer hat als Frauen. Die Zahl ist vergleichbar mit der gesamten männlichen Bevölkerung Frankreichs. Auch in Indien ist das Problem groß. Während sich das Verhältnis in den Staaten mit der größten Ungleichheit langsam ein bisschen verbessert, verbreitet sich die Tendenz, die Geburt von Töchtern zu verhindern, in Regionen die zuvor ein besseres Geschlechterverhältnis hatten. Dadurch verschlechtert sich das Verhältnis für ganz Indien. Politiker versuchen, das Bonus-System und die Durchsetzung der Gesetze zu verbessern, Experten glauben jedoch, dass nur fundamentale Verbesserungen im Status der indischen Frauen, wie etwa bessere Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, den Trend zurückdrehen und Töchtern größeren Wert zusprechen könnten. 1)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Financial Times: Link zum Artikel (englisch); nicht mehr verfügbar



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