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Trumps Administration versucht Gesetze zum Schutz vor Kinderarbeit zu lockern

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

Die Trump-Administration hat in der jüngsten Vergangenheit einen bedeutenden Drang zur weiteren Schwächung der ohnehin nicht tadellosen US-Gesetzgebung zum Schutz vor Kinderarbeit gezeigt. Das Jahr 1938 markierte einen der bedeutendsten Meilensteine der US-amerikanischen Geschichte. In diesem düsteren Jahr, in dem die Vorzeichen eines unmittelbar bevorstehenden Weltkrieges den ganzen Globus überschatteten, wurde der „Fair Labor Standards Act“ erlassen und vom damaligen Präsidenten F.D. Roosevelt unterzeichnet. Das Gesetz garantierte einen Mindestlohn und untersagte den Einsatz von Arbeitskräften unter repressiven Arbeitsbedingungen, vor allem aber verbot es die Arbeit von Kindern. Mehr als acht Jahrzehnte später schätzt die Organisation „Association of Farmworker Opportunity Programs“ allerdings, dass im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ allein in der Landwirtschaft immer noch etwa 500.000 Kinder arbeiten. 1) 2) 3) 4)

Die Fotos, welche vermeintlich der Kinderarbeit ein Ende setzten

Foto einer Baumwollspinnerin in der Whitnel Cotton Mill, aufgenommen von Lewis Hine.  |Bild: © G. Starke [CC BY-SA 2.0] – flickr
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren Kinderarbeiter in den USA ein alltäglicher Anblick. Eine Volkszählung des Jahres 1900 ergab, dass fast jedes sechste Kind in irgendeiner Form erwerbstätig war. Eine Statistik, die viele Amerikaner schockierte und zur Bildung des „National Child Labor Committee“ führte. Das „NCLC“ repräsentierte eine Vereinigung mehrerer kleinerer Anti-Kinderarbeitsorganisationen und startete eine umfassende Kampagne, die eine Untersuchung der Arbeitsbedingungen von Kinderarbeitern und die Lobbyarbeit gegenüber Politikern beinhaltete.

Der wahrscheinlich größte Coup der Organisation gelang jedoch mit der Einstellung eines Mannes namens Lewis Hine. Hine war ein Soziologe und Lehrer, dessen Geschick mit der Kamera einen enormen Gewinn für die Anti-Kinderarbeitskampagne darstellte. In den frühen 1900er Jahren war es ohne jede Form der schnellen Kommunikation schwierig zu beweisen, dass die Geschichten von Kindern, die unter schrecklichen Bedingungen arbeiteten, überhaupt der Wahrheit entsprachen. Hine bereiste die USA und interviewte und fotografierte Kinder, die in Fabriken, Minen, Geschäften oder auf Bauernhöfen arbeiteten und offenbarte damit durch seine Kameralinse ihre grauenvollen Arbeitsbedingungen. Einige von ihnen waren erst 4 Jahre alt.

Wenn ein Kind sein Alter nicht wusste, maß es seine Größe mit den Knöpfen an seiner Weste und berechnete es dementsprechend. In einer Bildunterschrift zu einem seiner Fotos eines jungen Mädchens schrieb Hine: „Eine der Baumwohlspinnerinnen in der Whitnel Cotton Mill. Sie ist 129 Zentimeter groß und arbeitet seit einem Jahr in der Fabrik. Manchmal arbeitet sie nachts.“  Auf die Frage, wie alt sie sei, zögerte sie und sagte dann: „Ich erinnere mich nicht“ und fügte im Vertrauen hinzu: „Ich bin nicht alt genug, um zu arbeiten.“ Hines Arbeit fand zu der Zeit statt, als Zeitungen begannen, Fotos auf ihre Seiten zu setzen. Seine Fotos zeigten Kinder, die durch ihre Arbeit nachhaltig geschädigt wurden – körperlich durch Strapazen und Unfälle und geistig durch mangelnde Bildung und Spielzeit. Sie erregten sofort eine immense öffentliche Aufmerksamkeit. Schlussendlich lösten Hines Bilder einen Wandel des öffentlichen Bewusstseins aus und trugen zur Reform der Kinderarbeitsgesetze bei, bis hin zu der Einführung des „Fair Labor Standards Act“.

Das Gesetz bot jedoch bei weitem keinen perfekten Schutz vor Kinderarbeit und beinhaltet bis heute zahlreiche Schlupflöcher, die seine Umgehung ermöglichen. Zwar untersagt der Rechtsakt Personen unter 14 Jahren die Arbeit in fast allen Betrieben und verbietet gefährliche Arbeitstätigkeiten bis zum Alter von 18 Jahren für die meisten Industriezweige, allerdings wird die Kinderarbeit im landwirtschaftlichen Sektor von diesen Vorschriften ausgenommen. 1) 3) 5) 6)

Kinderarbeiter auf US-Farmen sind akut gefährdet

452 Kinderarbeiter starben in den USA zwischen 2003-2016. Die Mehrheit von ihnen arbeitete in der Landwirtschaft. | Bild: © aamiraimer [Pixabay License] – pixabay
Das US-amerikanische Bundesarbeitsgesetz sieht vor, dass Kinder im Alter von 12 Jahren mit elterlicher Erlaubnis unbegrenzte Stunden auf landwirtschaftlichen Betrieben jeglicher Größe arbeiten dürfen, solange sie nicht den Schulunterricht versäumen. Darüber hinaus existiert kein Mindestalter für Kinder, um auf kleinen Bauernhöfen oder Familienbetrieben ihre Arbeit zu verrichten. Hierzu meint ein Repräsentant der „Association of Farmworker Opportunity Programs“: „Diese Ungerechtigkeit erlaubt es Kindern und Jugendlichen, die auf Bauernhöfen arbeiten, lange Stunden unter extremen Bedingungen zu schuften, obwohl das selbe Gesetz diesen Kindern gleichzeitig verbietet, in einem klimatisierten Büro zu arbeiten.“

Der Mythos des gesunden Familienbetriebs hat in den Vereinigten Staaten diesen gesetzlichen „toten Winkel“ geschaffen. Viele US-Amerikaner reagieren mit Entsetzen, wenn sie feststellen, dass Minderjährige im Ausland unter ausbeuterischen Bedingungen ihre Schuhe hergestellt haben, doch sie sind keineswegs empört darüber, dass ihre täglichen Lebensmittel oftmals von Kindern im eigenen Land produziert und angebaut werden.

Jedoch ist die Arbeit auf den Farmen in den USA keineswegs so ungefährlich, wie man meinen möchte. Kinder werden regelmäßig Pestiziden ausgesetzt, wodurch sich ihr Krebsrisiko stark erhöht. Laut einer Studie der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde sind Kinder dreimal mehr anfällig für die krebserregende Wirkung von Pestiziden als ihre erwachsenen Pendants. Die unmittelbaren Arbeitsbedingungen, insbesondere extreme Hitze und die Bedienung gefährlicher landwirtschaftliche Geräte, stellen zudem eine noch größere Bedrohung für ihr Leben dar. Nach Angaben des „Government Accountability Office“ starben in den USA zwischen 2003 und 2016 etwa 452 Kinder an den Folgen von Arbeitsunfällen.   Kinder, die in der Landwirtschaft arbeiten, sterben weit häufiger als ihre Altersgenossen in anderen Branchen. Sie machen zwar weniger als ein Fünftel der gesamten Kinderarbeit in den USA aus, doch in der Landwirtschaft beschäftigte Kinder haben zwischen 2003 und 2016 mehr Todesfälle erlitten als alle anderen Kinderarbeiter zusammen. Die Direktorin des „National Children’s Center for Rural and Agricultural Health and Safety“, Barbara Lee, erzählt über ihre Erfahrungen mit Unfällen von Kinderarbeitern im ländlichen Sektor: „Die Berichterstattung über diese Todesfälle und traumatischen Verletzungen landen täglich auf meinem Schreibtisch“… „Es sind keine „Unfälle“, denn dieses Wort impliziert, dass sie sich unserer Kontrolle entziehen. Die Wahrheit ist, dass jedes dieser traumatischen Ereignisse vorhersehbar und vermeidbar wären.“

Die hohe Zahl der Verletzungen und Todesfälle in der Landwirtschaft kann auch darauf zurückgeführt werden, dass viele Kinderarbeiter nur eine geringe beziehungsweise gar keine Sicherheitsschulung erhalten. Sofia, eine 17-jährige Tabakarbeiterin, welche auf einem Tabakfeld im Bundesstaat North Carolina schuftet und im Alter von 13 Jahren mit dieser Arbeit begann, erklärt: „Keiner meiner Chefs hat uns je über Pestizide und wie man sich davor schützt informiert. Als ich mit meiner Mutter gearbeitet habe, hat sie sich um mich gekümmert, und sie hat immer dafür gesorgt, dass es mir gut ging… Unsere Chefs geben uns jedoch nichts anderes als unser Geld. Das war’s.“ Darüber hinaus liegt die Dunkelziffer der ums Leben gekommenen Kinderarbeiter auf US- amerikanischen Farmen vermutlich sogar weitaus höher als berichtet, da die heutigen Landarbeiterkinder größtenteils Migranten sind, von denen viele keinerlei Papiere besitzen und daher in den offiziellen Statistiken nicht auftauchen. 1) 7) 3) 8) 9) 4) 10)

Zunahme kinderarbeitsfreundlicher Stimmen in der US-Regierung

Die Schulabbrecherquote bei Kindern, die in der Landwirtschaft arbeiten, ist viermal höher als die nationale Quote. | Bild: © Pexels [Pixabay License] – pixabay
Anstatt die bestehenden Schlupflöcher im Kinderarbeitsbundesgesetz zu schließen, drängte Präsident Trumps Administration in den letzten Jahren sogar darauf, das Kinderarbeitsgesetz zu lockern. Das US-amerikanische Arbeitsministerium schlug vor, die derzeitigen Vorschriften – des so genannten „Hazardous Occupations Orders“ – zu lockern, welche 16- und 17-jährige Lehrlinge von einer erweiterten Ausbildung in bestimmten gefährlicheren Tätigkeiten ausschließen. Dazu gehören Dachdeckerarbeiten sowie das Bedienen von Motorsägen und verschiedenen anderen motorgetriebenen Maschinen, die laut aktuellem Bundesgesetz für Jugendliche unter 18 Jahren eine zu hohe Gefahr darstellen. Die Trump-Administration unternahm Ende des Jahres 2018 ihren ersten formalen Schritt zur Aufhebung der Verordnung. Dies geschah mit der Veröffentlichung eines Aufhebungsvorschlages, in dem eine Arbeitgeberumfrage und Briefe von Branchengruppen als Beweis dafür angeführt wurden, dass die „Hazardous Occupations Orders“ Verordnung die Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen in Arbeitsbereichen beeinträchtigt, in denen bereits ein erheblicher Arbeitskräftemangel herrscht.

Diese Befürworter lockerer Kinderarbeitsgesetze schwärmen von den angeblichen Vorteilen wie z.B. der Vermittlung von Arbeitsethik an Kinder und einer besseren Ausbildung für die Arbeitswelt als Schulen dies bieten könnten und somit erhöhten Berufschancen. Es wird behauptet, es handele sich um eine Win-Win-Situation: gut für die Wirtschaft und gut für die Kinder. Diese Argumente sind allerdings überholt und recycelt:  Die Befürworter der Kinderarbeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben genau dieselben Thesen vorgebracht, nur um durch Fakten widerlegt zu werden. Während die Arbeitsmoral besonders schwierig zu evaluieren war und ist, lieferten Datensätze und Studien ein klares Bild:  Bildung statt Arbeit erwies sich als unangefochtener Gewinner für die Kinder. Eine bessere Bildung führt zu verbesserten Gehaltsmöglichkeiten und einer höheren Produktivität, um nur ein paar Vorteile zu nennen.

Jüngste Statistiken zeigen, dass die Schulabbrecherquote von Kindern, die in der Landwirtschaft arbeiten, viermal so hoch ist als dieselbige landesweite Quote.  Kinderarbeiter eigneten sich oft nur stark spezialisierte Fähigkeiten an, welche ausschließlich an schlecht bezahlte manuelle Arbeiten gebunden sind und nicht ohne weiteres auf andere Beschäftigungen übertragen werden können. Die Kinder-Nussschäler, um ein Beispiel zu nennen, beeindruckten durch ihre Schnelligkeit und Geschicklichkeit beim Knacken der Nüsse mit Fingern und Zähnen Fähigkeiten, die nicht zu höher bezahlten Jobs führten. Dasselbe gilt heute wohl auch für Kinderarbeiter, welche eine Kettensäge perfekt handhaben können. Anstatt eine ideale Ausbildung zu bieten, die die nächste Generation auf den Erfolg vorbereitet, entlarvt die Geschichte der Kinderarbeit diese als das, was sie wirklich ist: Ausbeuterisch, schädlich für die Löhne der Erwachsenen und Ursache für weniger gesunde und weniger gebildete Jugendliche. Die alarmierenden Statistiken der Kinderarbeits-Unfälle in der Landwirtschaft zeigen eindeutig, dass anstatt die Kinderarbeit wieder zu beleben, deren Schutz in den USA erheblich verstärkt werden müsste. 2) 4) 11) 12) 13)

  1. Heddels: What Ended Child Labor in the US – Labor Rights History; Stand heute, 28.07.2020
  2. New York Post: Trump administration wants to roll back child labor laws; Stand heute, 28.07.2020
  3. A Union of Professionals: Child Labor in the United States; Stand heute, 28.07.2020
  4. The Washington Post: The myths behind the push to resurrect child labor; Stand heute, 28.07.2020
  5. PetaPixel: These Photos Ended Child Labor in the US; Stand heute, 28.07.2020
  6. The Culture Trip: Lewis Hine: How Photography Ended Child Labour in the USA; Stand heute, 28.07.2020
  7. Press Release of the Congresswomen Lucille Roybal-Allard:  Reps. Roybal-Allard & DeLauro Respond to GAO Child Labor Report; Stand heute, 28.07.2020
  8. Human Rights Watch: Children Working in Terrifying Conditions in US Agriculture; Stand heute, 28.07.2020
  9. National Farm Worker Ministry: Children in the Fields; Stand heute, 28.07.2020
  10. The Washington Post: 452 children died on the job in the U.S. between 2003 and 2016; Stand heute, 28.07.2020
  11. DCReport: How The Trump Administration Is Bringing Back Child Labor; Stand heute, 28.07.2020
  12. NBC News: The Trump administration is scrapping a child labor rule. Safety advocates say the reasons are flimsy; Stand heute, 28.07.2020
  13. Press Release of the Congresswomen Lucille Roybal-Allard: Rep. Roybal-Allard, 24 Cosponsors Reintroduce CARE Act to Strengthen Protections for Child Farmworkers; Stand heute, 28.07.2020



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