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Produktionsstandort Myanmar: Unternehmen profitieren von Kinderarbeit

Vor allem in den ländlichen Regionen ist es in Myanmar selbstverständlich, dass Kinder arbeiten |  Bild: Myanmar : A new path out of adversity © Marcel Crozet / ILO [CC BY-NC-ND 2.0]  - flickr

Vor allem in den ländlichen Regionen ist es in Myanmar selbstverständlich, dass Kinder arbeiten | Bild: Myanmar : A new path out of adversity © Marcel Crozet / ILO [CC BY-NC-ND 2.0] - flickr

In Myanmar gibt es rund 18 Millionen Kinder unter 18 Jahren. Davon sind mehr als 12 Millionen zwischen 5 und 17 Jahren. Dies geht aus einer Volkszählung von 2014 hervor. Schätzungsweise müssen davon 1,3 Millionen Kinder täglich arbeiten, vornehmlich die aus den armen ländlichen Regionen. Im Februar wurde bei einem Koordinationstreffen des Nationalen Komitees für Kinderarbeit ein Aktionsplan zu deren Beseitigung umgesetzt. 1) 2) 3)

Nach jahrzehntelanger isolierter Militärdiktatur hat Myanmar seit März 2016 erstmals wieder eine gewählte Regierung. Das veranlasste die EU und die USA die zuvor noch gegen das Land erhobenen Sanktionen aufzuheben. Plötzlich wurde der Produktionsstandort Myanmar für die Bekleidungsindustrie enorm attraktiv. Dort liegt der Mindestlohn bei 2,50€ pro Tag, die Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechte sind schlecht und hinzu kommt die vor allem auch in der Textilindustrie weit verbreitete kostensparende Kinderarbeit. In den letzten Jahren ist das Land deshalb für die billige Produktion von Kleidung immer wichtiger geworden. Hier boomt die Textilindustrie. Quasi jeden Tag siedeln sich neue Textilfabriken an: mittlerweile sind es schon mehr als 400 Fabriken, die für Weltmarken wie H&M, Adidas oder Jack Wolfskin produzieren. Hier sind niedrige Gehälter, massive Überstunden und Kinderarbeit keine Ausnahme. 4) 5)

Der Boom hat auch damit zu tun, dass der Ruf des Nachbarlandes Bangladesch in der Vergangenheit sehr gelitten hat, vor allen Dingen wegen des Einsturzes der Textilfabrik in Rana Plaza 2013, bei dem 1100 Menschen ums Leben kamen. Die Angst vor einem Image-Verlust ließ die internationalen Unternehmen in das erst kurz davor für ausländische Firmen geöffnete Myanmar weiterziehen. Denn den Führungskräften war bewusst, dass ein immer größerer Anteil der Kunden in den europäischen und amerikanischen Innenstädten darauf achtet, wo die Kleidungsstücke produziert werden. Da Bangladesch von den Kunden nicht mehr gern gesehen wurde, zogen die Unternehmen weg. Dieser „race to the bottom“ der internationalen Textilindustrie hat Myanmar zum neuen Bangladesch werden lassen. Denn die Produktion wird gerne dahin verlegt, wo die Produktionskosten die niedrigsten sind. Und in diesem Wettbewerb unter den ärmsten, da sticht Myanmar momentan alle anderen Billigproduktionsländer wie Vietnam, Laos, Kambodscha oder auch China aus. Der ungesunde Wettbewerb zwischen den produzierenden Ländern in der Region Südostasiens lässt den Druck auf die Arbeiter in den Fabriken steigen und die Bezahlung immer miserabler werden. So reicht das Geld, welches die Eltern oder teilweise die alleinerziehende Mutter mit nach Hause bringt, fürs Überleben der Familie nicht aus. Deswegen müssen die Kinder auch mit in die Fabrik und arbeiten, statt in der Schule zu lernen. Die sich gegenseitig verstärkende Armut und die niedrige Bildung der Familien sind die Hauptursachen für die Kinderarbeit. Das Geld, welches die Eltern aufgrund niedriger Löhne nicht verdienen, müssen die Kinder erarbeiten. Für die Weltkonzerne ein Profit-Geschäft, für die Arbeiter und ihre Kinder ein Leben in Armut und ohne Zukunft. 6) 7) 8)

Eine von der holländischen Organisation SOMO (Centre for Research on Multinational Corporations) veröffentlichte Studie zeigt, dass Kinder in Myanmar für umgerechnet 15 Cent pro Stunde Kleidung für westliche Modeketten produzieren. In dem Bericht werden H&M, New Look und Lonsdale namentlich genannt, sie sollen mit Fabriken, die Kinder arbeiten lassen, zusammengearbeitet haben. So fand die Forschergruppe heraus, dass in mehr als der Hälfte der 12 von ihnen untersuchten Fabriken die Angestellten bei Arbeitseintritt jünger als 15 Jahre alt gewesen sind. Zwar ist in Myanmar gesetzlich erlaubt, dass 14-Jährige vier Stunden täglich arbeiten dürfen, dies wird aber meist nicht eingehalten. Zudem ist die von ihnen verrichtete Arbeit meist dieselbe wie die der erwachsenen Angestellten, was ebenfalls gesetzlich verboten ist. Gängige Praxis, um den Kontrollen zu entgehen, ist meist eine frühzeitige Warnung der Vorgesetzten, so dass die Kinder sich verstecken können. Passend dazu führt Transparency International Myanmar in ihrem Korruptionswarnehmungsindex 2014 auf Platz 156 von 175 und somit als einen der korruptesten Staaten weltweit auf. 9) 10)

Angesichts der grassierenden Korruption und der Einfachheit der ergriffenen Maßnahmen, die der Staat im Kampf gegen die Kinderarbeit einsetzt, ist die Hoffnung auf Besserung gering. Wichtiger ist ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen, das Kinderarbeit ablehnt, noch viel essentieller ist die Bekämpfung der Armut. Dass beispielsweise die Textilkonzerne, die im Land zu Hungerlöhnen produzieren lassen, eine Mitverantwortung hierbei tragen, sollte eigentlich nicht erwähnt werden müssen. Genau diese Bekleidungsindustrie konnte das Geschäftsjahr 2016/2017 in Myanmar mit Exporten in Höhe von 1,7 Milliarden Euro abschließen, das bedeutet ein Plus von 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es ist davon auszugehen, dass die Exporte der Textilindustrie bis 2020 auf 4 Milliarden Euro ansteigen werden. Wie dagegen die Kinderarbeit in einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit effektiv eingedämmt werden soll, bleibt ungewiss. 9)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. CNA Insider: Myanmars Child Workers; zuletzt geprüft am 21.03.3018
  2. mizzima: Myanmar introduces new measures to protect child labourers; Artikel vom 06.03.2018
  3. Eleven: National project to eridicate child labour; nicht mehr verfügbar
  4. Myanmar Times: Government sees rise in child workers; Artikel vom 20.02.2018
  5. bpb: Birma/Myanmar; Artikel vom 01.03.2017
  6. netzfrauen: Myanmar das neue Bangladesch; Artikel vom 06.02.2017
  7. Osnabrücker Zeitung: „Made in Myanmar: Ärger im neuen Billigmode-Boomland; Artikel vom 09.03.2017
  8. Badische Zeitung: H&M lässt Mädchen in Myanmar bis zu 14 Stunden am Tag arbeiten, Artikel vom 25.08.2016
  9. Fashionunited: Kinderarbeit und Niedriglöhne: die wahren Kosten der Bekleidungsproduktion in Myanmar; Artikel vom 09.02.2017
  10. Myanmar Insider: National Action Plan on child Labour; Artikel von August 2017



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