In den boomenden Städten Indiens wächst die Nachfrage nach Hausmädchen und billigen Arbeitskräften – meist Jungen und Mädchen aus den ärmsten Provinzen. Zwischen 2011 und 2013 wurden mehr als 10.500 Kinder des Bundesstaates Chhattisgarh, einer der ärmsten Staaten Indiens, als vermisst gemeldet. Menschenhändler bedienen sich an der rechte- und mittellosen Landbevölkerung, sie nutzen die korrupte Justiz aus, um die Kinder zu entführen. Der illegale Kinderhandel wird auf jährlich 135.000 Kinder geschätzt.
Menschenhandel bezüglich Prostitution und Arbeitskraft ist in Indien schon lange Bestandteil des Alltags, aber der Handel mit Kindern für häusliche Sklaverei ist eine relativ neue Entwicklung.
Die Ursache lässt sich im gesellschaftlichen Wandel des Schwellenlandes finden:
Beispielsweise hängt die steigende Nachfrage nach Hausmädchen mit dem steigenden Einkommen in urbanen Gebieten und der gleichzeitigen hohen Armut auf dem Land zusammen. Der Kinderhandel verdeutlicht einmal mehr, wie weit sich die Schere zwischen Arm und Reich bereits geöffnet hat.
Der Oberste Gerichtshof von Chhattisgarh äußerte vergangenes Jahr seine große Besorgnis bezüglich der vermissten Kinder. 1)
Um den Handel einzudämmen wurde 2014 ein neues Gesetz verabschiedet. Nur noch lizenzierte Betriebe dürfen nun Minderjährige beschäftigen und müssen die Lizenz einsehbar am Betrieb anbringen. 2) In Anbetracht der erheblichen Korruption bleibt der Erfolg jedoch abzuwarten. Es muss also mehr getan werden, um das Problem anzugehen. Denn der Menschenhandel ist in dieser Region zu tief verwurzelt, als dass ein Paragraph plötzlich alles ändern könnte. Der Kampf der Adivasi, größtenteils Sympathisanten maoistischer Rebellen, verschlimmert die Bedingungen noch weiter.
Zudem besteht in der Landbevölkerung ein großes Misstrauen gegenüber der Polizei und den Beamten. Dies bedeutet, dass Familien seltener berichten, dass ihre Kinder seit Monaten oder schon Jahren vermisst werden, nachdem sie verschwunden sind. Und selbst wenn besorgte Eltern die Polizei einschalten, wird selten etwas unternommen, um die verschwundenen Kinder zu suchen. Der Polizei fehlen sowohl die Mittel, als auch der Wille, um das Problem anzugehen. Telefone funktionieren nicht, die häufigen Stromausfälle verhindern Arbeit mit Computern oder Faxgeräten. Es gibt nicht einmal Büroflächen, um Beratungsdienste anzubieten. Dazu kommt, dass die Polizei Menschenhandel oft auch nicht als Verbrechen wertet. Durch Schmiergelder und Einschüchterung hat sich der aktive Händlerring in den Stammesgebieten Straffreiheit erkauft und seinen Einfluss auf lokale kriminelle Banden ausgeweitet.
Menschenhandel ist immer noch ein Randthema bei den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere in ländlichen Gegenden. In Staaten wie Chhattisgarh und Jharkhand sind die Behörden zu beschäftigt im Kampf gegen die bewaffneten maoistischen Aufstände oder Unruhen. Menschenhandel hat für die Strafverfolgungsbehörden keine Priorität. 1)