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Bälle aus Kinderhand

aktiv gegen kinderarbeit |  Bild:  © earthlink e.v.

aktiv gegen kinderarbeit | Bild: © earthlink e.v.

Der Ball rollt wieder. Im August startete die Bundesliga in ihre 50. Saison. Gespielt wird mit „Torfabrik“, dem offiziellen Spielball der Liga. Für beachtliche 129,95 € ist der Adidas-Ball im Handel erhältlich.

Viele Bälle werden in Indien hergestellt. Wie die australische „The Saturday Age“ in 12-monatiger Recherche herausfand werden in der Produktion nach wie vor auch Kinder eingesetzt. Obwohl in Indien seit 2010 eine Schulpflicht bis zum Alter von 14 Jahren gilt, seien die minderjährigen Ballnäher zum Teil nicht älter als sieben, berichtet die liberale Zeitung. Vor allem Mädchen würden bis zu sechs Tage die Woche nähen, um zum Familieneinkommen beizutragen. Ein Fußball wird mit umgerechnet 39 Cent vergütet. Die in Australien in erster Linie gefragten Rugby-Bälle bringen dagegen nur zwischen 6 und 10 Cent ein. Am Tag erreichen die Näher so einen Lohn von etwa 80 Cent.  1) Angesicht der mittlerweile auch in Indien stark gestiegenen Lebenshaltungskosten, die etwa halb so hoch sind wie in Deutschland, ist dieser kaum ausreichend zum Überleben.  2)

Dazu kommen chronische Rückenbeschwerden, zerstochene Fingerkuppen und Sehbeschwerden vom stundenlangen Arbeiten in dunklen Räumen der oftmals illegalen Fabriken. Viele dieser Produktionsstätten existieren offiziell nicht. Das vermeidet lästige Kontrollen der Arbeitsbedingungen. Die gibt es nur in den gemeldeten Produktionsstandorten, überwachten Vorzeigefabriken mit bequemen Stühlen und Klimaanlagen. Gearbeitet wird hier jedoch kaum. Der Großteil der Bälle stammt aus illegalen Hinterhofnähereien. Über Zwischenhändler werden die hier produzierten Bälle dann an die offiziellen Zulieferer der großen Hersteller weitergereicht.  3)

So auch die Footbälle von Sherrin, Produzent der offiziellen Bälle der AFL (Australian Football League). Die Liga reagierte prompt und bezeichnete den Einsatz von Kindern in Sherrins Produktionsstätten als „sehr ernsten Vorwurf“ und behält sich eine Vertragsauflösung mit dem Hersteller vor. Man habe Sherrin um Aufklärung gebeten, so ein AFL-Sprecher.  4)Sherrin erklärte man werde umgehend eine entsprechende Untersuchung einleiten. Am Montag musste der Ball-Produzent schließlich Kinderarbeit bei einigen seiner Zulieferer im indischen Jalandhar einräumen. Man habe davon keinerlei Kenntnisse gehabt und werde Sorge tragen, dass zukünftig sämtliche Bälle ausschließlich bei unmittelbaren Zulieferern des Konzerns genäht würden.  5) Das PR-Desaster komplett machte die Meldung, dass sich ein australischer Junge an einer Nadel in einem Football verletzt hatte. Sherrin rief daraufhin am Dienstag knapp eine halbe Million Bälle zurück.  6)

Kinderarbeit in der Ballherstellung ist kein neues Phänomen. Bereits im Vorfeld der Europameisterschaft 96 gab es nach Verdachtsfällen von Kinderarbeit in der Fußballproduktion ein lautes Medienecho. Insbesondere das pakistanische Sialkot geriet als „Welthauptstadt der Ballmacher“ in Verruf. Fast alle großen Hersteller, von Adidas bis Nike, ließen hier produzieren. Die Konzerne fürchteten um ihr Image und 1997 kam es zur Unterzeichnung des Atlanta-Abkommens durch pakistanische Zulieferer, Unicef und die ILO. Hiermit wurde der Einsatz von Kindern unter 14 Jahren in der Ballindustrie verboten. Man wollte ein öffentlichkeitswirksames Zeichen gegen Kinderarbeit setzen.  7)

Dass sich beinahe 20 Jahre und viele Imagekampagnen später nicht viel verändert hat zeigt ein Report über Kinderarbeit in der Fußballindustrie von BBA (Bachpan Bachao Andolan). Die Kinder sind nicht verschwunden, sie werden nur besser versteckt. Statt offen in den bekannten Zulieferfabriken arbeiten die Kinder in inoffiziellen Kleinstwerkstätten oder zu Hause.  8)

Die jüngsten Enthüllungen von Jalandhar sind also beileibe keine Einzelfälle. Dabei gibt es Alternativen. Zahlreiche Händler bieten inzwischen auch fair gehandelte Bälle an. Bleibt zu hoffen, dass bald auch in der Bundesliga „faire“ Tore erzielt werden.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. The Age – All work, no play for footy’s child labourers
  2. auswandern info – Lebenshaltungskosten-Index Länder der Erde
  3. The Age – Stitching up child workers
  4. The Advocate – AFL may sack Sherrin over child labour
  5. The Advocate – Sherrin pulls footballs stitched in sweatshop
  6. The Age – Sherrin recalls 450,000 balls in needle scandal
  7. Spiegel – Die Ballmacher von Sialkot
  8. BBA – Child Labour in Football Stitching



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